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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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öffnete die Tür, um nachzusehen, mit wem sie es zu tun hatte. Doch sie kannte den Diener nicht.
    »Meine Herrin verlangt nach Euch«, wiederholte der Mann.
    »Und wer soll das sein?«
    »Das werdet Ihr sehen.«
    »Wann?«
    »Gleich.«
    Giuditta war verwirrt und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
    »Die Gondel der Signora erwartet Euch«, sagte der Diener.
    »Geht es um ein Kleid?«, fragte Giuditta.
    »Die Herrin hat mich geschickt, um Euch abzuholen. Mehr weiß ich nicht.«
    Giuditta legte sich einen Umhang aus Barchent um die Schultern und folgte dem Diener die Treppe hinab und über den Platz. Unterwegs war sie immer noch wie liebestrunken von ihren Gedanken an Mercurio. Ja, sie würde ihm überallhin folgen.
    Die Gondel hatte an der Fondamenta degli Ormesini angelegt. Der Diener half ihr ins Boot und gab dem Gondoliere das Zeichen zum Ablegen.
    Wenig später hielten sie am privaten Steg eines dreistöckigen Palazzos, der auf den Canal Grande ging. Seine Fassade war elegant und fein gestaltet, die Fenster aus buntem bleigefasstem Glas wurden von anmutigen Marmorsäulen umrahmt.
    Der Diener half ihr beim Aussteigen und sagte ihr, sie solle dem Hausdiener folgen, der sie schweigend in den ersten Stock des Palazzos führte. Ein widerlicher Gestank nach Hundekot lag in der Luft. Der Mann führte sie in einen Raum, dessen Wände mit Seidendamast bespannt waren. Kaum hatten sie das Zimmer betreten, schreckte eine Hausmagd schuldbewusst von ihrem Platz an der Wand fort.
    »Was machst du da?«, fragte der Diener sie streng.
    Das Mädchen errötete und verschwand eilig.
    Der Diener näherte sich der Wand, wo die Hausmagd gestanden hatte, und schloss ein kleines Guckloch. »Wartet hier«, sagte er zu Giuditta und ging.
    Giuditta wusste nicht, was sie tun sollte, aber dann hörte sie aus dem Nebenzimmer laute Stimmen und näherte sich, davon angezogen, dem Guckloch. Sie zögerte einen Augenblick lang, bevor sie ihrer Neugier nachgab, schob die kleine Damastblende beiseite, die aus dem gleichen Stoff war wie die Wandbespannung, und sah hindurch.
    Als Erstes bemerkte sie eine Frau, die mit dem Rücken zu ihr aufrecht an einem vergoldeten, zierlichen Schreibtisch saß. Der gesamte Raum wirkte elegant und von erlesenem Geschmack.
    Neben der Frau befanden sich noch zwei kräftige Diener im Raum, die stocksteif zu beiden Seiten einer Tür standen. Außerdem ein Mann um die fünfzig mit blassem Gesicht, sicher ein Mann aus dem Volk, trotz seiner respektablen Kleidung. In seiner Hand hielt er eine Kopfbedeckung aus weichem schwarzem Samt. Der Mann war kahlköpfig und schwitzte sichtlich. Er sah besorgt aus.
    »Bitte, Euer Gnaden«, sagte er zu der Frau.
    »Das hättest du dir früher überlegen sollen«, sagte die Frau ungerührt.
    Giuditta kam ihre Stimme bekannt vor.
    Dann betrat ein Adliger den Raum, eine elegante Erscheinung, aber ein Krüppel. Er würdigte den Mann keines Blickes, sondern blickte nur amüsiert zu der Frau, die mit dem Rücken zu Giuditta saß.
    »Du siehst gern zu, wie?«, sagte er mit einer unangenehm schrillen Stimme zu ihr.
    »Dein Vergnügen ist auch meines«, erwiderte die Frau, stand auf und wandte sich um.
    Und da erkannte Giuditta sie. Es war Benedetta. Giuditta war versucht zu fliehen, doch sie blieb wie angewurzelt an dem Guckloch stehen. Sie sah, wie Benedetta genau in ihre Richtung starrte. Hastig trat sie beiseite, weil sie sich ertappt fühlte. Aber nun wurde ihr klar, dass Benedetta genau wusste, wer hinter dem Guckloch stand. Vielleicht hatte die Hausmagd auch nur vorgetäuscht, beim Spionieren erwischt zu werden. Vielleicht hatten sie und der Diener sie, Giuditta, nur auf das Guckloch aufmerksam machen sollen. Damit sie hindurchsah und beobachtete, was nun folgen sollte.
    Als Giuditta sich wieder an das Guckloch stellte, lächelte Benedetta sie an. Dann drehte sie sich um und sah zu den Dienern, die den Mann, der jetzt bitterlich weinte, gepackt und fest im Griff hatten. Der verkrüppelte Adlige hielt für alle deutlich sichtbar ein Rasiermesser in der Hand. Dann schob er mit einer schnellen Bewegung dem Mann die Klinge in den Mund, woraufhin der nun noch heftiger schluchzte.
    »Für das, was du gesagt hast«, erklärte der Adlige und durchtrennte mit einem schnellen Schnitt Haut und Gewebe am linken Mundwinkel.
    Der Mann schrie auf, Blut spritzte.
    »Wischt das weg«, befahl der Adlige. Dann wandte er sich an Benedetta. »Kommst du, meine Liebe?«
    Benedetta sah auf das Guckloch,

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