Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
…«, sagte er.
Und dann spürte er, wie ihn plötzlich eine Welle des Hasses überrollte. Nicht auf Benedetta, sondern auf Giuditta. Weil sie es nicht war. Weil sie nicht gekommen war.
Benedetta blieb einen Moment reglos stehen und sah ihn an.
»Was willst du?«, fragte Mercurio abweisend.
»Wie unfreundlich du bist«, bemerkte Benedetta lächelnd.
Mercurio zuckte wütend mit den Schultern. »Wir bewegen uns nicht in den gleichen Kreisen.«
»Nein, anscheinend nicht«, lächelte Benedetta. »Darf ich mich setzen?«
»Was willst du?«, fragte Mercurio noch einmal.
»Ich will gar nichts«, erwiderte Benedetta. »Ich bin gekommen, um dir meine Freundschaft anzubieten.«
»Warum?«
Benedetta kam einen Schritt auf ihn zu.
Daraufhin hob Mercurio kaum merklich eine Hand, als wollte er sie aufhalten.
Benedetta tat, als hätte sie es nicht bemerkt, und ging weiter auf ihn zu, bis sie so nah vor ihm stand, dass er den Duft ihrer Haut wahrnehmen konnte. »Weil ich einen Fehler gemacht habe«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«, fragte Mercurio irritiert.
»Als ich dich geküsst habe«, erklärte Benedetta mit warmer Stimme. »Das war falsch.«
»Ja …«
»Ich wollte dich um Verzeihung bitten.«
»Gut …«
»Ja? Verzeihst du mir?«
»Ja …«
»Also können wir Freunde sein?«
Mercurio wich einen Schritt zurück. »Wolltest du dich nicht setzen?«, sagte er zu ihr.
Benedetta ging erneut auf ihn zu. »Du hast mir geholfen, von Scavamorto wegzukommen. Das werde ich dir nie vergessen. Du hast dich um mich gekümmert, und ich habe dich verraten. Jetzt will ich noch einmal von vorn anfangen und dir eine Freundin sein. Wir waren doch ein gutes Betrügerpaar. Dann können wir doch auch ein gutes Freundespaar abgeben, oder?«
»Setz dich«, forderte Mercurio sie ein wenig zu laut auf.
Benedetta sah ihn noch einen Augenblick lang an, bevor sie einen Stuhl nahm und sich setzte.
»Du siehst müde aus«, sagte Mercurio, als er ihre dunklen Augenringe bemerkte.
»Ja. Nichts Ernstes«, erklärte Benedetta lächelnd. »Das geht vorüber.« Ab morgen würde sie aufhören, das Arsen von der Magierin einzunehmen. »Bin ich etwa hässlich?«, fragte sie und legte kokett den Kopf zur Seite.
»Nein.«
»Ich bin also nicht hässlich?«, fragte Benedetta noch einmal mit Kleinmädchenstimme.
»Nein, du bist … schön«, flüsterte Mercurio. Er merkte, wie sehr sie ihn immer noch körperlich anzog.
»Machst du mir etwa den Hof?«, fragte Benedetta lächelnd.
Mercurio verkrampfte sich.
»Das war doch nur Spaß«, lachte Benedetta. »Du hast noch nie Sinn für Humor gehabt.« Sie sah ihn einen Augenblick schweigend an. »Ich weiß, dass dein Herz für eine andere schlägt.«
»Mein Herz schlägt für niemanden«, sagte Mercurio barsch. »Da irrst du dich.«
Benedetta lief ein wohliger Schauer über den Rücken. Dieses dumme Judenmädchen hatte ihr also gehorcht. Aber sie wollte sichergehen. »Trotzdem hast du ein Hospital für den Vater deines Mädchens geschaffen«, sagte sie leicht dahin, als bedeutete es ihr nichts.
»Sie ist nicht mein Mädchen«, brauste Mercurio auf. »Sie ist mir völlig egal, und ich will sie nie wiedersehen!«
Benedetta spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Mercurios Wut war genauso groß wie die Liebe, die er immer noch für Giuditta empfand. Er war weder kalt noch distanziert, sondern ballte die Hände zu Fäusten und presste die Zähne zusammen. Benedetta sah ihn an. Wie schön er war in seiner Wut! Wie schön er war in dem unterdrückten Schmerz, der ihn von innen verzehrte! Doch er würde ihr niemals gehören. Sie spürte zwar, dass er sich von ihrem Körper, ihrer Sinnlichkeit angezogen fühlte. Und vielleicht würde sie ihn auch in ihr Bett bekommen. Aber er würde ihretwegen nie so leiden wie wegen dieser verdammten Jüdin.
Mercurio wandte sich von Benedetta ab und starrte mit hochrotem Gesicht zum Fenster hinaus.
Sie klopfte mit der Hand auf den Stuhl neben ihr. »Setz dich«, forderte sie ihn auf. Sie würde sich damit begnügen müssen, dass sie die beiden auseinandergebracht hatte, und sich an ihrem Schmerz erfreuen. Mehr konnte sie nicht bekommen. »Willst du mir davon erzählen?«
Mercurio sah sie an.
»Willst du einer Freundin davon erzählen, die dich aufrichtig gern hat?«, flüsterte Benedetta und dachte, dass sie lernen würde, sich mit wenig zufrieden zu geben. Auffordernd streckte sie ihm die Hand hin. »Komm schon. Du bist nicht allein …«
Langsam wie
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