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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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einen Teil davon, verstanden?«
    Mercurio antwortete ihm nicht, sondern starrte ihn nur schweigend an.
    »Wenn mich die Würmer fressen, wird der Einäugige das Kommando übernehmen«, sagte Scarabello. »Aber höchstens für einige Monate, dann ist er ein toter Mann. Und danach werden sich meine Leute gegenseitig umbringen.« Er streckte Mercurio seine Hand hin. »Du verstehst, warum ich niemand anderen darum bitten kann?«
    Mercurio nickte kaum merklich.
    »Dann sind wir uns einig?«, wiederholte Scarabello.
    »Einverstanden«, erwiderte Mercurio.
    »Der Rest gehört dir«, sagte Scarabello. »Richte damit dieses jämmerliche Wrack her, das du dir gekauft hast, und tu, was du vorhattest.«
    »Das brauche ich nicht mehr«, erklärte Mercurio düster.
    »Wie du willst«, erwiderte Scarabello. »Aber nimm dir auf jeden Fall das Geld.«
    Mercurio starrte ihn an: »Warum?«
    »Weil Geld das Salz des Lebens ist.«
    Mercurio schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine, warum tust du das?«
    »Ach so …« Scarabello sah ihn eine Weile aus seinen wachen Augen an, bevor er antwortete: »Vielleicht bin ich ja auch sentimental.«
    Mercurio nickte, dann stand er auf.
    »Noch ein Letztes, Junge.«
    Mercurio blieb abwartend stehen.
    »Sollte ich …« Scarabello zögerte, bevor er fortfuhr. »Sollte ich irgendwann so ein sabbernder Idiot werden, der nur noch blödes Zeug faselt … dann drückst du mir ein Kissen aufs Gesicht, und zwar fest.«
    Mercurio wandte sich instinktiv Lanzafame zu.
    »Der wäre nicht so gnädig«, sagte Scarabello. »Also, versprich du es mir.«
    Mercurio schaute ihn an. Scarabellos Blick wirkte stark, doch man sah auch den Schmerz, den er zu verbergen suchte. »Das hat Zeit«, sagte Mercurio.
    »Du bist wirklich ein Mann geworden«, stellte Scarabello fest. »Einerseits tut mir das leid für dich, denn es bedeutet, dass du gelitten und eine Niederlage erfahren hast. Aber es wird dir guttun.«
    »Unsinn«, wehrte Mercurio ab.
    Scarabello betrachtete ihn ernst. Dann sagte er lachend: »Doch.«
    Mercurio wandte sich zum Gehen.
    »Versprich es mir«, bat Scarabello ihn.
    »Das hat Zeit«, wiederholte Mercurio und verließ den Stall, der immer mehr Ähnlichkeit mit einem Hospital bekam.
    Draußen sah er sich um. Die Arbeiten gingen gut voran. Die Frauen aus Mestre und die geheilten Huren machten sich im Garten oder in der Küche nützlich oder wuschen Leintücher und Verbände. Die Männer mischten Kalk oder mauerten Ziegelsteine fest, strichen die Wände, bauten Betten oder flickten das Dach. Mit dem Boot holten und brachten Tonio und Berto unermüdlich Arzneien, neu erkrankte Huren und Freundinnen, die zu Besuch kamen.
    Mercurio störten all diese Tätigkeiten, das lebendige Treiben, denn er fühlte sich davon ausgeschlossen. Er war unfähig, etwas zu empfinden oder gar Pläne zu schmieden. Es gab für ihn nichts, für das es sich lohnte, sich anzustrengen. Er hatte sich etwas vorgemacht, hatte wirklich geglaubt, er könnte sich aus dem Treibsand seines eigenen Schicksals befreien, er könnte ein Leben wie jeder andere führen. Aber das stimmte nicht. Menschen wie er waren verflucht. Und je öfter er sich das sagte, desto stärker wuchsen Wut und Hass in ihm, desto besser konnte er den Schmerz von sich fernhalten. Diesen furchtbaren Schmerz, der ihn irgendwann umbringen würde.
    »Da fragt jemand nach dir«, hörte er Annas Stimme hinter sich.
    Mercurio drehte sich um.
    »Ein Mädchen …«, fügte sie hinzu.
    Mercurio zuckte zusammen. »Wo?«, fragte er drängend. Sein Herz schlug schneller. »Wo?«, fragte er noch einmal lauter.
    »Sie wartet in der Küche auf dich«, sagte Anna.
    Mercurio blieb einen Augenblick wie erstarrt stehen. Dann rannte er auf das Haus zu. Er sagte sich, dass es auf keinen Fall Giuditta sein konnte. Das war unmöglich. Aber dennoch rannte er. Vielleicht weil etwas in ihm glauben wollte, dass sie es war. Ja, es musste einfach Giuditta sein. Atemlos betrat er die Küche, bereit, vor Freude zu sterben. Und ebenso bereit, enttäuscht zu werden.
    Die Frau stand mit dem Rücken zu ihm. Im Gegenlicht war sie nur ein dunkler Schatten.
    Mercurio blieb das Herz stehen.
    Sie war elegant gekleidet.
    Mercurio ging einen Schritt auf sie zu.
    Ihre Haare wurden von einer kostbaren, mit Süßwasserperlen besetzten Spange zusammengehalten.
    Die Frau drehte sich um.
    »Ciao, Mercurio«, sagte sie.
    Mercurio wich einen halben Schritt zurück und sackte enttäuscht in sich zusammen. »Ciao, Benedetta

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