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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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langsam seine Sinne. Er fühlte, wie seine Lider immer schwerer wurden.
    »Ruh dich aus, das wird dir guttun«, sagte Anna und schürte die Flammen mit einer langen, rußgeschwärzten Stange. Dann ging sie hinauf ins obere Stockwerk.
    Benedetta setzte sich neben Mercurio an den Kamin. »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie leise, während sie den Prediger und Zolfo aus dem Augenwinkel beobachtete.
    Der Mönch hatte sich an den Tisch gesetzt und sich ein Glas Rotwein eingegossen. Zolfo stand neben ihm.
    »Er sieht aus, als wäre er sein Messdiener«, brummte Mercurio.
    In dem Moment kam Anna mit Kleidung auf dem Arm die Treppe herunter. Mercurio sah, dass ihre Augen glänzten, als hätte sie geweint oder würde die Tränen unterdrücken. Doch sie lächelte weiter so offen und heiter wie vorher.
    »Hier, nimm«, sagte Anna mit einem traurigen Seufzer. »Die müssten dir passen. Die Jacke ist aus Barchent, aber ich habe sie mit Kaninchenhaar gefüttert. Du wirst sehen, die hält dich warm.« Dann lächelte sie wieder. »Die Hosen sind nicht nach der neuesten Mode, aber aus guter Wolle.« Ihre Augen wirkten abwesend, als würde sie einer Erinnerung nachhängen. Aber sie sagte nichts mehr, sondern legte die Sachen mit einem Hemd aus grobem Leinen und einem Unterhemd aus gewalkter Schafwolle über die Rückenlehne des Stuhls. Ihr Blick fiel auf Mercurios Schuhe, die in der Nähe der Glut trockneten. »Die sind ein bisschen zu leicht für die Jahreszeit. Aber Schuhe habe ich keine für dich.« Die Frau sah Mercurio wieder mit diesem abwesenden Blick an, als wäre sie in Gedanken in anderen, längst vergangenen Zeiten. Dann raffte sie sich auf. »Ich habe noch Suppe. Etwas Warmes wird euch guttun, Kinder. Kommt mit.« In der Küche füllte sie Holznäpfe und verteilte sie an alle. »Es gibt keine Löffel, also behelft euch so, dies hier ist kein vornehmes Gasthaus«, fügte sie entschuldigend hinzu.
    Mercurio hatte seine Portion im Nu heruntergeschlungen. Die Suppe schmeckte herzhaft nach Kohl und Rüben.
    Anna del Mercato rührte im Suppentopf und fischte eine halbe Schweinerippe heraus, an der noch etwas Fett und ein paar Fleischfasern hingen, und gab sie Mercurio. »Tut mir leid, das war die letzte«, sagte sie zu den anderen, die sie hoffnungsvoll anblickten. »Er braucht sie jetzt am nötigsten«, fügte sie hinzu. Dann sah sie im Nebenraum nach den Unterhosen, stellte fest, dass sie getrocknet waren, und warf sie Mercurio zu, der ihr gefolgt war. »Komm«, sagte sie zu ihm. »Mal sehen, wie dir die Sachen stehen.«
    Mercurio schlüpfte in die Unterhosen, danach zog er Unterhemd, Hemd, Hosen und Jacke an. Alles war zwar ein wenig zu weit, aber insgesamt passten die Kleider ihm recht gut.
    Anna nickte mit feucht glänzenden Augen. »Jetzt geht schlafen«, sagte sie und deutete auf einige Strohsäcke auf dem Boden.
    Der Mönch blieb am Tisch sitzen, und Zolfo wich ihm nicht von der Seite. Benedetta nahm sich Mercurios Decke, warf sie sich über die Schultern und legte sich in eine Ecke auf ein Strohlager, wobei sie Zolfo einen finsteren Blick zuwarf. Mercurio setzte sich wieder auf den Stuhl nahe der Kaminöffnung. Er spürte immer noch die Kälte in seinem Körper.
    Anna nahm sich einen Schemel, stellte ihn neben Mercurio und setzte sich. Eine Weile starrte sie stumm in die Glut. Dann fing sie leise an zu sprechen, ohne den Blick von den Flammen zu wenden. »Ihm standen sie nicht so gut wie dir …«, sagte sie.
    Als Mercurio sich umdrehte, entdeckte er ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen und sah, dass ihre Augen wieder feucht glänzten.
    »Mein Mann wirkte eher ein wenig derb, er war kein so hübscher Kerl wie du«, erzählte Anna leise. »Aber er war mein Mann. Und er war ein guter Mann. Er hat mich nicht ein einziges Mal geschlagen.« Sie sah Mercurio an und strich sanft über die Jacke, die sie mit Kaninchenhaaren gefüttert hatte. »Der liebe Herrgott hat es uns leider nicht vergönnt, ein Kind zu bekommen, aber mein Mann gab mir nicht die Schuld daran und hat sich nie eine andere Frau gesucht. Er sagte, wir sollten einen Waisenjungen an Kindes statt annehmen, der uns beim Umbrechen der Felder und auf dem Markt zur Hand gehen könnte. Aber in Wahrheit hat er sich wohl immer einen eigenen Sohn gewünscht.« Sie streichelte Mercurio über die Wange.
    Der ließ es geschehen.
    »Er wäre glücklich, seine Sachen an einem so hübschen Jungen wie dir zu sehen.«
    Mercurio hätte gern etwas Freundliches gesagt, aber

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