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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Roms verloren, und er dachte, dass die Diebe sicher eher einen abgelegenen Ort als Versteck gesucht hatten. Daher kehrte er um und bog nach links ab. Schon bald wurde die Straße schmaler und schlammig, bis sie schließlich am Damm des Tiberufers gegenüber der Tiberinsel endete.
    Shimon blieb stehen und betrachtete nachdenklich den Fluss. Die hatten bestimmt kein Boot gehabt. So würde er sie nie finden, sagte er sich wütend, und wollte schon umkehren.
    Doch als er sich umdrehte, hörte er ein Geräusch, das seine Aufmerksamkeit erregte. Er sah zum Damm hinüber, in Richtung eines Brombeerstrauchs, der sich bewegte und langsam hinunter in Richtung Ufer rollte.
    »Verdammte Scheiße!«, fluchte ein spindeldürrer Kerl, der plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte. Der Mann wirkte beunruhigend, düster, und war auffällig gekleidet. Ein riesiger Türkendolch ragte unter der orangefarbenen Schärpe hervor, die er um seine Taille unter der violetten Jacke geschlungen hatte. »Was für ein verfluchter Scheißort«, knurrte er, bevor er sich wieder dem Kanalausstieg zuwandte, woher er gekommen war, und mit unangenehmer, verächtlich klingender Stimme schrie: »Beeilt euch gefälligst, ihr Holzköpfe!«
    Etwas weiter entfernt entdeckte Shimon einen brandneuen leichten zweirädrigen Wagen, vor den ein schneller Araber gespannt war, der nervös tänzelte.
    Der Mann, der aus der Kanalisation gekommen war, spuckte aus und ging auf den Wagen zu.
    Kurz darauf entstiegen vier zerlumpte Kinder dem gleichen Ausgang. Sie mochten ungefähr zehn Jahre alt sein und hatten die Arme voll mit Kleidern und Strohkörben. Nun kletterten sie mühsam und ständig rutschend den Uferrand hinauf.
    »Los, beeilt euch!«, schrie der Mann, der bereits auf dem Wagen saß und eine Peitsche in der Hand hielt.
    Die Kinder liefen schneller. Die ersten beiden erreichten den Wagen und verstauten die Kleider so gut es ging im hinteren Teil. Das dritte fiel hin, bevor es den Wagen erreichte, und stand sofort wieder auf. Das vierte und jüngste war beladen wie ein Packesel und sah wegen der vielen Sachen überhaupt nicht, wohin es ging. Daher stolperte es über einen Strauch, verlor das Gleichgewicht, und um auf den Beinen zu bleiben, ließ der Junge seine Last fallen. Die Kleider und ein Strohkorb landeten auf dem Boden.
    »Du Trottel!«, schrie der Mann auf dem Wagen. Dann ließ er die Peitsche über den beiden Kindern knallen, die als Erste angekommen waren. »Los, helft ihm«, befahl er.
    Shimon hatte das Ganze mit großem Erstaunen beobachtet. Wie kamen so viele Sachen unten in den Abwasserkanal? Diese einfache Frage hatte ihm die Haare am Arm zu Berge stehen lassen. Deshalb hatte er sich genähert und in dem Korb, der umgekippt war, neben einer Perücke, einer Kochmütze und einem Malerhut, verschiedenen Brillen und falschen Bärten auch einen Judenhut entdeckt. Aufgeregt war er noch näher gekommen.
    Inzwischen halfen die Kinder ihrem Freund, der gestolpert war. Sie sammelten alle Sachen ein und liefen damit zum Wagen. Doch dann bemerkte der Kleinste, dass etwas hinter den Strauch gefallen war, was niemand gesehen hatte.
    Bis auf Shimon, dem auf einmal das Herz bis zum Hals schlug. Er sprang vor zu dem Kind und riss ihm den Gegenstand aus den Händen.
    Es war ein Lederbeutel mit einem Zugband. Ein ganz besonderer Beutel, da auf ihm in Rot eine chamsa gemalt war, ein jüdisches Symbol gegen den bösen Blick und Unglück. Eine stilisierte Hand.
    »Was machst du da, Pfaffe? Lass sofort los!«, rief der Mann und kletterte aus dem Wagen.
    Shimon betrachtete den Beutel mit Tränen der Rührung in den Augen.
    »Hast du mich gehört, Pfaffe?«, schrie der Mann und kam mit energischen Schritten auf ihn zu.
    Shimon fuhr mit dem Daumen zärtlich über die raue Oberfläche der stilisierten Hand, die er selbst aufgemalt hatte.
    »Das gehört mir. Lass es los!«, sagte der Mann und riss ihm den Beutel aus der Hand, der die sechsunddreißig Goldflorins aus Shimons einträglichem Geschäft mit den Seilen enthalten hatte.
    Shimon sah den Mann an. Dessen Blick wirkte hart, doch Shimon hatte keine Angst mehr. Vor niemandem. Er hätte ihm den gebogenen Türkendolch aus der Schärpe reißen und ihm die Kehle durchschneiden können, hier vor aller Augen. Und wenn er nur hätte sprechen können, hätte er ihm im Angesicht seines Todes ins Ohr geflüstert: »Nein, das gehört mir.« Und dabei hätte er gelacht.
    »Was guckst du so, Pfaffe?«, fragte der Mann

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