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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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und Zinnkraut«, sagte Isacco zum Apotheker, mehr in Erinnerung an die Heilmittel der alten Frauen auf der Insel Negroponte, die die Christen als Hexen verbrannten, als an die Arzneien seines Vaters. »Und Teufelskralle, Klettenwurzel, Weihrauch und Ringelblume. Als Urtinktur.«
    »Kein Theriak?«, fragte der Apotheker empört.
    »Steck dir das Zeug in den Arsch!«, brummte Isacco. »Los, beeil dich!«
    Der Apotheker sah die beiden Doktoren an.
    »Los, beeil dich!«, brüllte Lanzafame.
    Eine knappe halbe Stunde später verließen Isacco und Lanzafame die Apotheke.
    »Ich habe gehört, dieser Mönch, der gegen die Juden wettert, ist inzwischen in Venedig angekommen«, bemerkte Lanzafame auf dem Rückweg.
    »Ach ja?«, sagte Isacco nur.
    »Er hält wieder seine dummen Predigten«, fuhr Lanzafame fort. »Im Augenblick hört ihm noch niemand zu … Aber Venedig ist wie jede andere Stadt … voller Dummköpfe.«
    »Ja …«
    »Und in diesen Zeiten wird viel über die Juden geredet.«
    »Ja …«
    »Leck mich am Arsch, Doktor. Du mit deinen Jas.«
    »Danke, Hauptmann.«
    »Nichts zu danken.«
    Schweigend eilten sie nebeneinander her, bis sie die Dachstube erreicht hatten.
    Die stumme Dienerin wartete schon aufgeregt auf sie. Sie hatte die Hühnerbrühe mit Zimt und Nelken gekocht, wie Isacco es ihr aufgetragen hatte. Doch die Kranke wollte nichts essen, erklärte sie gestenreich.
    Lanzafame sah Isacco sorgenvoll an.
    »Hauptmann …«, setzte der an.
    »Mach dich an die Arbeit, Doktor«, unterbrach ihn der Soldat sofort. Dann wandte er sich an die Magd. »Bring mir Malvasier. Und kauf noch mehr davon. Heute Abend bleibe ich hier.«
    »Vielleicht solltet Ihr nicht so viel trinken …«, sagte Isacco.
    »Ich bin nicht dein Patient«, erwiderte Lanzafame barsch. »Kümmer dich lieber um die, die es nötig hat.«
    Isacco ging zum Zimmer der Kranken. Als er sie betrachtete, konnte er ihre Schönheit erahnen, die die Krankheit zerstört hatte. Ganz in ihr Leiden versunken, warf ihm die Frau nur einen zerstreuten Blick zu. Ihre Knochen und Gelenke schmerzten, sie hatte Fieber und verlor zuweilen das Bewusstsein. Isacco sah sich ihre Wunden an. Es sah aus, als hätten sich Ratten an ihrem Fleisch gütlich getan. Er tastete zwei weitere Abszesse ab, die sich neu gebildet hatten. Einer im Gesicht entstellte ihren Jochbogen, der andere ihren Hals. Sie fühlten sich hart an. Hauptmann Lanzafame hatte ihm erzählt, dass die anderen beiden Wunden vorher auch Abszesse gewesen waren.
    »Ich muss Euch … mit Verlaub … da … da zwischen den …«, stammelte Isacco verlegen.
    »Zwischen meinen Schenkeln betasten?«, fragte die Frau mit einem schwachen Lächeln. Ihre Stimme klang brüchig, triefte aber vor Sarkasmus. »Und das ist dir peinlich, Doktor?«
    »Nein, Signora … ich dachte, dass …«
    Die Frau lachte wieder, doch sie klang müde, eine Müdigkeit, die Isacco jedoch nicht auf die Krankheit zurückführte, sondern auf etwas, das viel tiefere Ursachen hatte. Vielleicht einfach auf das Leben selbst.
    »Einer mehr oder weniger«, sagte sie.
    »Was meint Ihr damit, Signora?«
    »Nun stell dich nicht so an und schau ihr einfach zwischen die Beine!«, dröhnte Lanzafame hinter ihm. »Sie ist eine Hure, hast du das noch nicht begriffen?«
    Isacco erstarrte.
    Mit der wenigen ihr verbliebenen Kraft schob die Frau die Decken beiseite, hob den Rock und öffnete die Schenkel, wobei sie unverwandt den Hauptmann ansah. »Los, schau nach, Doktor … fass alles an, mach, was du willst. Stimmt doch, Herr Hauptmann?«
    Lanzafame antwortete ihr nicht. Er drehte sich um und verließ das Zimmer.
    Isacco ertastete ein Geschwür im Schambereich. Aber es schien zurückzugehen. »Wie habt ihr die Stelle behandelt?«, fragte er die Frau.
    »Sicher nicht so wie sonst«, sagte sie lächelnd.
    Isacco schwieg zu ihrem Scherz. Er wusste, dass die Frau Angst hatte und Qualen litt. Er sah sie ernst an.
    »Gar nicht«, antwortete sie schließlich.
    Isacco reinigte die Wunden mit einem Leinentuch und strich die Salbe aus Moschusschafgarbe und Zinnkraut darauf, um damit die durch das Säubern verursachte Blutung zu stillen. Dann machte er einen Umschlag aus Klettenwurzel und Ringelblume, damit sie sich schlossen und vernarbten.
    Der Hauptmann stand nun wieder in der Tür.
    Isacco erhob sich und ging zu ihm. »Ich muss mit Euch reden, Hauptmann …«, sagte er halblaut in einem Atemzug. »Ich bin kein Arzt … Mein Vater war einer, aber ich habe nur

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