Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
…«
Lanzafame packte ihn am Kragen seines Überrocks und starrte ihn aus hellen, geröteten Augen an. »Du bist Arzt«, sagte er schließlich leise und bestimmt und betonte jedes Wort einzeln. »Ich habe gesehen, wie du meinen Männern Glieder abgetrennt und ihre Wunden genäht hast. Und ich habe gesehen, dass du die ganzen astrologischen Erklärungen für Unsinn gehalten hast. Deswegen bist du für mich ein wahrer Arzt.« Er zog ihn zu sich heran. »Und behalte deine Bekenntnisse bloß für dich, denn sonst, so wahr es einen Gott gibt, schlag ich dir dein Gesicht zu Brei.«
Isacco fühlte sich stark und schwach zugleich in den Händen dieses Mannes. Und er wunderte sich zutiefst darüber, was er ihm gestanden hatte, denn kein Betrüger enthüllt freiwillig die eigenen Gaunereien, so wie auch kein Zauberkünstler seine Tricks verraten würde. Doch seit seine Frau H’ava ihm durch Giudittas Mund sein neues Leben, sein neues Schicksal aufgezeigt hatte, schien sich etwas in ihm zu verändern.
»Aber überlass in bestimmten Situationen lieber mir das Messer«, fügte der Hauptmann lächelnd hinzu. »Ein Arzt muss Geduld und Gelassenheit besitzen. Lass lieber einen Mann des Krieges aufbrausen.« Er legte Isacco eine Hand auf die Schulter und sah ihn voller Respekt und Bewunderung an. Dann wurden seine Augen wieder hart. »Und vor allem reiß mir nie wieder das Messer aus der Hand!«
Isacco ließ die Dienerin die Hühnerbrühe bringen und mischte Weihrauch und Teufelskralle als fiebersenkende Mittel hinein.
Doch die Kranke weigerte sich, davon zu trinken.
Daraufhin riss der Hauptmann Isacco barsch die Tasse aus der Hand, nahm einen schmutzigen Löffel, wischte ihn am Saum seines Hemdes ab und setzte sich aufs Bett. Er schwang den Löffel drohend vor dem Gesicht der Frau hin und her und sagte finster: »Jetzt schluckst du diese Brühe, oder ich ersäufe dich darin und nehm mir mein Bett wieder, du sture, launische Hure.«
In dem Blick der Frau lag der Anflug eines spöttischen Lächelns.
Der Hauptmann führte den Löffel an ihren Mund. Die Frau presste die Lippen zusammen. Lanzafame tauchte den Löffel in die Brühe ein und erhob die Hand zur Ohrfeige. Die Frau warf ihm einen herausfordernden Blick zu und presste die Lippen nur noch fester aufeinander. Da schlug der Hauptmann wirklich zu.
»Hauptmann …«, meldete sich Isacco zu Wort.
»Misch dich nicht ein, das ist eine Sache zwischen einem Soldaten und einer Hure.« Lanzafame führte den Löffel an ihren Mund.
Sie nahm die Brühe in den Mund und spuckte sie ihm ins Gesicht.
Lanzafame packte sie am Hals. »An irgendetwas muss sie doch sterben. Ganz gleich, ob an dieser Krankheit oder durch meine Hand, hab ich recht?«
Die Frau starrte ihn nur schweigend an.
Der Hauptmann ließ sie los und holte noch einmal aus, als wollte er sie erneut ohrfeigen. Aber er schlug nicht zu. Und die Frau schloss weder die Augen, noch versuchte sie dem Schlag auszuweichen. Die Hand des Hauptmanns hielt dicht vor ihrer Wange inne und strich rau, wie in einer Liebkosung, darüber. »Iss«, sagte er dann. Er reichte ihr einen Löffel von der heilkräftigen Kräuterbrühe.
Die Frau schluckte. »Das Zeug ist widerlich«, sagte sie.
Der Hauptmann kostete von der Brühe. »Schmeckt wirklich widerlich.« Er hielt ihr erneut einen gefüllten Löffel hin.
Sie riss ihm die Tasse aus der Hand und trank sie in einem Zug aus. »Du bist langsam wie eine Schnecke«, schalt sie ihn.
Sie sahen einander fest in die Augen. Dann stand der Hauptmann auf und trat zu Isacco. »Geh zu deiner Tochter.«
»Das ist nicht nötig. Sie ist mit Donnola unterwegs. Die beiden suchen eine Wohnung für uns.«
»Es ist aber auch nicht nötig, dass du hierbleibst«, entgegnete Lanzafame.
»Dann möchte ich mit so vielen Ärzten wie möglich sprechen«, erklärte Isacco. »Im Moment behandele ich nicht die Krankheit selbst, sondern nur ihre Symptome.«
Lanzafame nickte stumm. Dann sagte er leise: »Du bist ein guter Arzt.«
»Ich bin kein Arzt.«
»Du bist ein guter Arzt.« Lanzafame drehte ihm den Rücken zu und kehrte zu der Frau zurück. Er holte sich einen Stuhl ans Bett und setzte sich neben sie.
An der Tür wandte Isacco sich noch einmal um.
Die Frau hatte die Hand nach dem Hauptmann ausgestreckt, ohne dass er sie nahm.
»Schlaf jetzt«, sagte er.
Sie streckte mühsam die Hand noch ein wenig weiter zu ihm aus.
Lanzafame seufzte. »Du bist eine lästige Hure«, sagte er.
»Ja, Hauptmann.«
Er
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