Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
dabeihatte.«
»Falsche Goldmünzen«, erwiderte Mercurio hastig, als ihm bewusst wurde, dass ihre Unterhaltung eine gefährliche Wendung nahm. »Theaterrequisiten. Wie dieses Kleid einer alten Frau, diese Ketten …«
»Falsche Münzen? Und wie, meinst du, sollte ein Goldschmied auf Münzen hereinfallen, die nicht einmal das dumme Publikum täuschen?« Scarabellos Gesicht zeigte nun keine Spur mehr von Wohlwollen.
Benedetta bemerkte die Spannung zwischen den beiden und stellte sich neben Mercurio.
»Du halt dich da raus«, befahl ihr Scarabello.
»Ja, kleb nicht immer so an mir«, sagte Mercurio und klang tatsächlich verärgert.
»Leck dich!«, knurrte ihn Benedetta an.
»Du verheimlichst mir wirklich nichts?«, fragte Scarabello und machte einen Schritt auf ihn zu.
Der Wolf zeigt sein wahres Gesicht, dachte Mercurio. Und er flehte stumm, der Fuchs möge seinem Ruf gerecht werden.
»Wir können Freunde sein. Oder Feinde«, fuhr Scarabello fort, der nun so dicht vor ihm stand, dass Mercurio seinen Atem spüren konnte. »Das liegt ganz bei dir, Junge.«
Da stürzte sich Mercurio auf ihn und umarmte ihn. »Ich verdanke dir so viel …«
Scarabello stieß ihn grob von sich weg: »Was soll das, du Schwachkopf?«
»Verzeih mir … Ich verdanke dir so viel«, wiederholte Mercurio mit gesenktem Kopf, scheinbar demütig. »Und ich schwöre dir Treue. Warum zweifelst du an mir?«
»So leicht legst du mich nicht rein«, erwiderte Scarabello grinsend. »Breite die Arme aus.«
»Warum?«
Scarabello zog blitzschnell sein Messer. »Wenn ich dir sage, spring ins Feuer, dann springst du.«
Mercurio breitete die Arme aus.
Scarabello durchsuchte ihn. Er hob den Schleier über den unechten Ketten, riss ihn ab und warf ihn auf den Boden. Dann nahm er ihm den Tuchbeutel ab und suchte darin, leerte den Rock, die Handschuhe und die falschen Ringe aus. Er fand auch die Beuteltasche mit der seidenen Börse und ließ die Münzen darin klingeln, während er Mercurio keinen Moment aus den Augen ließ. Er öffnete sie und schüttete alle Münzen aus, die dumpf auf dem Boden des Ladens klirrten.
»Lass die Hosen fallen«, sagte er dann.
Mercurio löste die leichten Hosen und blieb in seinen kurzen Unterhosen stehen.
Scarabello tastete ihn zwischen den Beinen ab. Bei der Berührung errötete Mercurio, doch er wich nicht zurück.
»Zieh Jacke und Oberteil aus«, kommandierte Scarabello.
Benedetta zitterte innerlich.
Mercurio zog sich aus. Er blieb in den heruntergelassenen Hosen und dem Unterhemd aus gewalkter Schafwolle stehen, das ihm Anna del Mercato geschenkt hatte.
Scarabello hob sein Unterhemd an. Er sah ihm starr in die Augen. Dann, ohne die Augen abzuwenden, packte er Benedetta am Arm. Mit einer Bewegung, die aussah wie ein eleganter Tanzschritt, zog er sie an sich. »Paolo, sieh nach, ob das Mädchen die Münzen hat.«
Der Kräuterkrämer rührte sich nicht.
»Paolo!«, brüllte Scarabello.
Der Mann kam verlegen näher, während Scarabello Benedetta an einem Arm festhielt. Mit der Messerspitze hob er ihren Rock an. Er packte einen Zipfel und richtete das Messer auf ihre Leinenunterhosen, zerschnitt das Band, das sie hielt, und schob sie nach unten. »Such«, sagte er zu Paolo, ohne den Blick von Mercurio zu nehmen.
Der Kräuterkrämer stammelte Entschuldigungen und schob eine Hand in sie hinein.
Benedetta schloss die Augen.
»Das ist nicht nötig! Lass sie in Ruhe!«, rief Mercurio.
Scarabello antwortete nicht darauf. Er richtete das Messer auf Benedettas Kehle. Dann ließ er die Klinge bis zum Ausschnitt sinken, ohne Mercurio auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, ließ sie ein kurzes Stück hineingleiten und entfernte den oberen Kleidersaum von Benedettas schneeweißer Haut. »Schau hinein«, sagte er zu Paolo.
»Da ist nichts«, sagte der, nachdem er mit hochrotem Gesicht nachgesehen hatte.
Dann drehte Scarabello mit jener tänzerischen Anmut, die jede seiner Bewegungen begleitete, Benedetta einmal um sich selbst und stieß sie weg. »Zieh dir die Unterhosen hoch«, sagte er. Dann wandte er sich an den Kräuterhändler. »Versteck das Kostüm der alten Frau, Paolo. Ganz Venedig sucht danach.« Er sah Mercurio an. »Anscheinend hast du die Wahrheit gesagt, Junge.«
Mercurio fiel nach der großen Anspannung in sich zusammen, zog seine Hosen hoch und stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Er schlug die Hände vors Gesicht, und seine Augen wurden feucht. »Danke, Scarabello!«, rief er
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