Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
aus und zeigte nun all die Angst, die er unterdrückt hatte. Wieder stürzte er sich auf ihn und umarmte ihn kräftig. »Danke … danke …«
»Lass das!«, rief Scarabello und stieß ihn zurück.
»Verzeih mir, Scarabello, bitte, verzeih mir. Und danke, danke, danke …«
»Ja, schon gut. Und jetzt Schluss damit. Dieses weibische Getue geht mir auf den Sack.« Scarabello wandte sich an den Kräuterhändler, der Mercurios Jacke in der Hand hielt. »Paolo, brich den Stein heraus und schmilz das Gold ein. Ich habe jetzt noch etwas zu erledigen und komme dann später zurück, um den Stein zu holen.« Er richtete einen Finger auf Benedetta. »Und du mach dich möglichst unsichtbar.« Er kam ihr so nahe, dass er sie hätte küssen können. »Hier in Venedig wird eine Diebin wie du dazu verurteilt, auf dem Markusplatz von vier Pferden auseinandergerissen zu werden, und anschließend werden die Überreste in den Kanal geworfen. Haben wir uns verstanden? Die Leute suchen nach einer alten Frau und einer schönen Dienerin …«
Benedetta lächelte glücklich.
»… die der Goldschmied sehr leicht wiedererkennen würde.«
»Danke.«
»Du hast mich falsch verstanden«, sagte Scarabello, während er zur Ladentür ging. »Ich habe gesagt, sie suchen nach einer … blöden Dienerin.«
Mercurio lachte, doch Benedetta warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Sehr gut, Mercurio«, lobte Scarabello ihn im Gehen.
Mercurio rannte ihm hinterher. Als er ihn erreicht hatte, fragte er ihn leise: »Wenn ich jemanden suchen würde … dann könntest du mir helfen, nicht wahr?«
»Kommt darauf an.«
»Eine Person, die gerade erst angekommen ist«, erklärte Mercurio noch leiser und mit dem Rücken zu Benedetta.
»Und warum darf deine … Schwester nichts von dieser Suche wissen?«
»Na ja … also …«
»Ist es vielleicht eine Frau, auf die sie eifersüchtig ist? Pass bloß auf, dass du die Weiber nicht eifersüchtig machst … Die können jede Menge Unsinn anstellen.«
Mercurio versteifte sich, da Benedetta sich näherte. »Donnola«, sagte er atemlos. »Es ist ein Mann, und er heißt Donnola.«
»Donnola?« Scarabello sah ihn an. »Junge, für meinen Geschmack hast du zu viele Geheimnisse.«
»Er heißt wirklich Donnola.«
»Ich weiß genau, wer das ist. Aber der ist ganz sicher nicht erst gerade in Venedig angekommen«, erwiderte Scarabello. »Jeder im Rialto kennt den. Und er ist leicht zu finden. Man muss nur auf den Markt gehen, dort lungert er immer herum und wartet darauf, dass jemand vorbeikommt, den er ausnehmen kann oder der ihm eine Gelegenheitsarbeit bietet. Aber wie ich hörte, ist er Soldat geworden.«
»Er ist zurück.«
»Donnola …« Scarabello entfernte sich kopfschüttelnd. »Ach, Junge, eines Tages wirst du mir noch Kummer bereiten, das spüre ich …«
Mercurio wandte sich an Benedetta. »Los, gehen wir.«
»Was hat er da von Donnola erzählt?«
»Von wem? Nein, da musst du dich verhört haben«, erklärte Mercurio und wich ihrem Blick aus. Er fragte sich, warum sein Talent als Lügner bei Benedetta so schlecht funktionierte. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Auf jeden Fall sollte er wohl besser vorsichtig sein.
Kaum waren sie in eine schmale, dunkle Gasse eingebogen, stieß Benedetta Mercurio gegen eine Mauer. »Wie hast du das gemacht?«
»Was?«, fragte Mercurio und stellte sich dumm.
»Das mit den Münzen. Den echten Münzen. Wo hast du sie versteckt? Ich war mir sicher, er würde dich umbringen.«
»Ich hatte keine echten Münzen bei mir«, erwiderte Mercurio grinsend. »Nur die aus dem Theater.«
»Los, komm schon …«
»Ehrlich. Als er mich durchsucht hat, hatte ich wirklich kein echtes Geld.«
»Jetzt sag schon, du Holzkopf«, bedrängte ihn Benedetta ungeduldig.
»So war es aber. Ich hatte das Geld nicht …« Mercurio bohrte übermütig seine Schuhspitze in den Schlamm »Das hatte er.«
»Was …?«
»Ist dir aufgefallen, dass ich ihn umarmt habe, bevor er mich durchsucht hat?«
»Das glaub ich nicht …«
Mercurio lachte. »Aber so war es.«
»Du hast ihm das Geld in die Tasche gesteckt und dann … Nein! Deshalb hast du ihn also noch einmal umarmt. Du hast es dir wiedergeholt!« Benedetta war beeindruckt. »Und ich hab geglaubt, du wärst blöd.«
»Und stattdessen bist du die Blöde. Wie Scarabello gesagt hat.«
»Er hat gesagt, die Schöne.«
»Wasch dir die Ohren.«
Inzwischen hatten sie den Campiello del Gambero erreicht und drängten lachend und
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