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Das Mädchen, das nicht weinen durfte

Titel: Das Mädchen, das nicht weinen durfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khadra Sufi
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Sie das einen Scheißdreck an!«, schrie Abdul Hassar.
    »Das werden wir schon feststellen.«
    »Ich habe dafür beim Hausmeister gearbeitet, sechs Monate lang!«, wehrte sich Abdul Hassar in seiner Not.
    »Aha! Dann können wir Ihnen das Geld ja von der Sozialhilfe abziehen.« Die Stimme des Mannes klang jetzt drohend.
    Seine Mutter und seine Geschwister hatten sich verängstigt im Flur vor seinem Zimmer versammelt. Während sie unten weiter diskutierten, kam einer der Männer die Treppe hoch und Nanna und ich liefen zurück in unser Zimmer, aber der Mann kam ohne anzuklopfen hinterher, machte das Licht an und stellte sich zwischen unsere Betten, in denen wir uns unter der Decke verkrochen hatten. Er sagte nichts, starrte uns nur an.
    »Was machen Sie hier mitten in der Nacht?«, rief plötzlich mein Vater. Er stand im Türrahmen, hinter ihm war ein weiterer Mann nach oben gekommen. »Wir kontrollieren, ob sich illegale Flüchtlinge hier versteckt halten«, antwortete der und grinste. »Haben
Sie auch so eine teure Stereoanlage wie der Kollege unten?«, fragte der im Zimmer und stöberte ziellos herum, aber natürlich fand er nichts Kostbares. Und jetzt rastete mein Vater aus. »Was soll das überhaupt?«, schrie er.
    »Sie bleiben jetzt mal ganz ruhig, Herr Sufi!«, konterte der Mann hinter ihm, aber es war zu spät. »Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie es zu tun haben? Wissen Sie, wer vor Ihnen steht? Wissen Sie das?!« So wütend hatte ich Papa noch nie erlebt. »Wir haben Ihnen nichts getan! Lassen Sie meine Familie in Ruhe! Das dürfen Sie gar nicht!« Aber die Männer beeindruckte das nicht: »Wir dürfen alles, wir bezahlen Ihnen die Wohnung ja auch«, sagten sie.
    »Mein Name ist Basi Mohamed Sufi! Ich war hier jahrelang Botschafter! Ich habe das Deutsche Verdienstkreuz! So können Sie mit mir nicht reden! Ich habe das Deutsche Verdienstkreuz! Wissen Sie, was das bedeutet?« Er war so in Rage, dass seine Augen hervortraten und sich Speichel vorm Mund bildete. Jetzt wurde einer der Männer langsam nervös und versuchte ihn zu beruhigen.
    »Herr Sufi, wir wollten Sie nicht beleidigen, wir haben einen Auftrag …«
    »Wissen Sie, wer ich bin?«, unterbrach ihn mein Vater wieder. Mittlerweile waren alle fünf fremden Männer auf unserem Flur und zum Glück rief ein sechster die anderen herunter. »Kommt, hier ist nichts, wir gehen.«
    Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass es Männer vom Sozialamt gewesen waren. Wir haben nie erfahren, ob sie unsere Wohnung einfach durchsuchen durften, ein Dokument, das sie dazu ermächtigt hätte, legten sie jedenfalls nicht vor und ausgewiesen hatten sie sich auch nicht. Einige Monate später sahen wir im Sozialamt den Mann wieder, der in mein Zimmer gekommen war. Er drehte sich weg und ging wortlos an uns vorbei.

    Halima, die Mutter der drei Brüder unter uns, kam einmal ganz langsam die Treppe zu uns hoch. Sie war eine ältere kranke Frau, der jede Bewegung schwerfiel, und Sorgenfalten hatten sich über die Jahre tief in ihrem Gesicht eingekerbt.
    »Was ist denn los, Halima?«, fragte mein Vater besorgt, denn sie war noch nie zu uns gekommen und verließ nur selten ihr Zimmer. Mein Vater und sie gingen in unser Wohnzimmer und setzten sich. Halima hielt einen Brief in der Hand, den sie Papa wortlos gab, der ihn aufmerksam las. Ich kannte dieses Bild, denn früher hatten sich oft Freunde, Nachbarn oder das Hauspersonal an ihn gewandt, damit er ihnen half, und er erklärte ihnen, was in den Briefen stand oder wie sie ihre Probleme lösen konnten. Während sich mein Vater den Brief durchlas, krallte sie sich an den Lehnen des alten, grauen Sessels fest, der auf dem Sitzkissen einen großen dunklen Fleck hatte, weil er so abgewetzt war. Wir hatten insgesamt zwei Sessel und eine Couch im Wohnzimmer, die weder farblich noch von der Form zusammenpassten.
    Ich lehnte mich an das Waschbecken, das neben der Eingangstür unter einem Spiegel hing. Als Papa den Brief zu Ende gelesen hatte, hob er seinen Blick und richtete ihn auf Mutter Halima: »Tja, sie wollen dir kein Geld mehr auszahlen, nur noch Essensgutscheine.« Sie nickte kurz und Tränen liefen langsam ihre Wangen runter. Ab sofort würde ihre Familie, die hier seit sieben Jahren lebte, keinen Pfennig Geld mehr sehen und Lebensmittel nur noch gegen Gutscheine in wenigen ausgewählten Supermärkten eintauschen können. Einen Augenblick war es still im Raum.
    »Das ist doch kein Leben hier, das ist doch kein Leben«,

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