Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)
Aber Boss Guan spielt gerade mit großem Einsatz und wünscht keine Störung. Er brummt ins Telefon, er werde sich darum kümmern, dann legt er den Hörer auf und spielt weiter. Als er die Runde gewinnt, ist er so beflügelt, dass er die Probleme der Strahlenden Perle vergisst. Da keine Verstärkung in die Küche kommt, muss Tubai zusehen, wie er es schafft, die doppelte Arbeit zu bewältigen.
Dass er für jemanden einspringen muss, ist für Tubai nichts Neues. Normalerweise meistert er das mit seiner unendlichen Energie und seinen flinken Armen auch. Aber ausgerechnet heute streikt außerdem noch die Geschirrspülmaschine. So türmen sich die schmutzigen Teller und Schüsseln auf, während er mit Gemüseputzen und Salatzubereitung beschäftigt ist.
»Tubai, gib ein paar Fischteller her!«, ruft Koch Lin,ohne den Blick vom Wok zu lösen. Während die eine Hand rhythmisch die Schaufel wendet, stellt die andere das Feuer klein. Und schon steht der Koch vor einer anderen Pfanne und kümmert sich um das zweite Gericht. Auch er hat viel zu tun.
»Ich mach’s gleich«, erwidert Tubai, rennt aber zuerst zur Durchreiche, um den Salat abzuliefern.
»Du Hundsbein, wo läufst du hin? Sollen meine Fische hier anbrennen?« Koch Lin klopft wütend mit der Schaufel gegen den Wok und rennt am Ende selbst zur Spüle, um zwei Teller zu holen. Dabei rutscht er aus und hält sich nur mit Mühe am Spülbecken fest. Offenbar hat Tubai beim Salatwaschen ziemlich gespritzt. An einem normalen Tag hätte er die nassen Stellen am Boden längst wieder trocken gewischt. Aber heute ist er nicht dazu gekommen.
»So ein Saustall!«, schimpft Koch Lin und taucht zwei Teller in das zweite Becken ein, das mit heißem Wasser und Schaum gefüllt ist. Dabei ist er wohl etwas zu energisch. Denn das Wasser schwappt heraus, und auf dem Boden steht jetzt eine große Pfütze. Lin weicht ihr aus und rennt mit tropfenden Tellern zum Herd zurück, um seine Fische zu retten. »Wenn die Gäste sich beschweren und das Essen zurückgeben, werde ich’s dir über den Kopf kippen, du Trottel!« Beim Schimpfen scheint die Wut des Kochs sich immer mehr zu steigern.
»Ja, ja, ich wasche gleich ein paar Teller ab«, sagt Tubai pflichtbewusst und nimmt einen Stapel schmutziges Geschirr aus der Durchreiche, das bereits auf ihn wartet. Dabei wirft er einen schnellen Blick ins Restaurant. Peipei ist inzwischen gegangen. Aber nach ihr hat er auch nicht gesucht. Nein, er will Mendy sehen. Der Anblick ihrer zierlichen, vertrauten Gestalt lässt ihm das Leben ein wenig leichter erscheinen.
Doch heute spürt er einen scharfen Stich: Der Musiker Oswald ist wieder da. Als Gast. Fein angezogen. Er hält die Speisekarte geöffnet und scheint bei Mendy etwas bestellen zu wollen. Aber Tubai erkennt mit seinem männlichen Instinkt sofort, dass er mit Mendy flirtet und sich noch sehr viel mehr erhofft.
Mit gesenktem Kopf trabt Tubai zurück. Er will den Stapel gerade ins Spülbecken tauchen, da tritt er in die Pfütze und rutscht aus. Teller und Besteck segeln im hohen Bogen in Richtung des Kochs. Lin hält gerade den Wok schräg, um das Fischgericht vorsichtig auf die Teller zu schieben. Der Hagelschlag, der um ihn herum niedergeht, lässt ihn zusammenzucken. Ein Löffel landet im Wok, und die heiße Soße spritzt in alle Richtungen. Ein Spitzer landet in seinem Gesicht, und vor Schreck und Schmerz lässt Lin den Wok los. »Ahhh, mein Auge!« Mit schnellen, flatternden Bewegungen versucht sich der Koch die glühend heiße Soße vom Kopf zu wischen. Zugleich nimmt das Unglück weiter seinen Lauf. Im Fallen hat Tubai sich festzuhalten versucht und dabei den ganzen Tellerturm umgerissen, der darauf gewartet hatte, in die Spülmaschine gesteckt zu werden. Wie ein höllischer Hagelschauer krachen die Teller herunter und springen in Stücke.
»Du Hundsbein! Nur Unheil führst du herbei!«, schimpft Koch Lin und springt beiseite, um nicht von den stürzenden Tellern getroffen zu werden. Dochseine Beschimpfungen gehen im allgemeinen Getöse unter.
Die Tür zur Küche ist zwar geschlossen, aber der Krach ist so laut, dass auch die Gäste im Restaurant aufgeschreckt werden. Einen Augenblick lang herrscht Totenstille. Alle schauen in Richtung der Schwingtür und horchen.
Mendy rennt in die Küche und findet ein Tollhaus vor. Die Luft riecht nach verbranntem Essen. Tubai liegt auf dem Boden und hält sich die Hände über den Kopf, als fürchte er Tritte und Schläge. Koch Lin hüpft auf
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