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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Million. Ungefähr doppelt so viel wie das ganze Haus in Neukölln mit zwanzig Wohnungen, das er selbst vor Jahren ersteigert hat. Der Goldene Drache ist offenbar wirklich ein schwerreicher Mann und von einem anderen Kaliber als er, der Restaurantbesitzer – so einen Mann sollte man lieber nicht kränken.
    »Wozu brauchst du solch eine große Wohnung, Bruder Hong? Zieht deine Familie dir hinterher?«, fragt er den Goldenen Drachen, als der mit einem eleganten Aktenkoffer bei ihm erscheint.
    »Schon möglich.« Mehr sagt der Goldene Drache nicht.
    »Wo ist deine Familie denn jetzt?«
    »Sie lebt an einem sicheren Ort«, sagt der Goldene Drache knapp. Und fügt dann etwas freundlicher hinzu: »Weißt du, ich bin an große Wohnungen gewöhnt. Ich brauche einfach mehr Luft zum Atmen – besonders nachts.« Vielsagend zwinkert er mit den Augen.
    Jetzt ist Boss Guan noch mehr auf der Hut. Hat der Goldene Drache zuerst seine Familie und seinen Reichtum ins Ausland gebracht und ist dann selbst ganz ohne Gepäck aus China geflüchtet? Solche »nackten Beamten« gibt es neuerdings reichlich. Korrupt, gierig und hinterhältig. Ich muss vorsichtig sein und stets diplomatisch bleiben, ermahnt sich Boss Guan. »Gut«, sagt er. »Ich helfe dir. Schon wegen deiner Familie.« Und dabei zwinkert er genauso wie vorher der Goldene Drache.
    Der andere freut sich über die Zusage. Er dreht amZahlenschloss seines Aktenkoffers und zieht den Kaufvertrag für die Wohnung heraus. »Ich sehe, du bist ein echter Freund«, sagt er.
    Boss Guan, der einige Erfahrung mit Berliner Immobilien hat, sieht sofort, dass der Vertrag Hand und Fuß hat. Das Maklerbüro ist eines der bekanntesten in der Stadt, und den Notar kennt Boss Guan schon seit vielen Jahren. Er hat fast alle seine Verträge von ihm beglaubigen lassen. Nur der Kaufpreis ist erstaunlich niedrig. Nicht mal sechshunderttausend.
    »Das scheint alles in Ordnung zu sein«, sagt er vorsichtig. »Das kannst du ruhig unterschreiben.«
    »Das freut mich«, sagt Hong Litong, aber man spürt, dass er gar nichts anderes erwartet hat. »Trotzdem wäre es mir lieb, wenn du mit zum Notar kommst. Ich verstehe nun mal kein Deutsch. Der Termin ist morgen um zehn.«
    Am nächsten Tag, beim Notar, geht auch alles glatt. Nur als der Goldene Drache seinen Pass vorlegt, gibt es eine kleine Verzögerung. Das Dokument ist schon neun Jahre alt und stammt aus Hongkong. »Sie sind britischer Staatsbürger?«, fragt der Notar.
    Hong Litong nickt. Er scheint die Frage schon öfter gehört zu haben.
    »Haben Sie einen Wohnsitz in Deutschland?«
    Diesmal muss Boss Guan übersetzen, und der Goldene Drache denkt einen Augenblick nach. »Sag ihm, ich wohne bei dir«, sagt er schließlich.
    »Aber …« Boss Guan möchte widersprechen. Doch nach kurzer Überlegung sagt er: »Ich kenne Herrn Hong schon seit vielen Jahren. Er wohnt jetzt bei mir.«
    Der Notar nickt und lächelt. »Wir kennen uns ja auch schon seit vielen Jahren, Herr Guan. Also sehe ich da gar kein Problem. Man kann ohne Weiteres sagen, dass Herr Hong mir persönlich bekannt ist.«
    Als Hong Litong und der Verkäufer – ein breitgesichtiger Bauunternehmer – den Vertrag unterschrieben haben, legt der Goldene Drache plötzlich sein Aktenköfferchen auf den Tisch, nimmt fünfundneunzigtausend Euro heraus und gibt sie dem Makler.
    Dann schiebt er den Koffer dem Bauunternehmer hin. »Der Rest ist für Sie«, sagt er auf Chinesisch.
    Boss Guan ist entsetzt. Der Goldene Drache hat ihn mit diesem Geldkoffer bis auf die Knochen blamiert. Er wird sich hier nie wieder sehen lassen können. Und in dem Koffer sind bestimmt mehr als sechshunderttausend. Wahrscheinlich mehr als das Doppelte.
    Aber die Deutschen scheinen sich nicht im Geringsten zu wundern. Der Makler steckt seine Provision ein, der Bauunternehmer fängt mit klobigen Fingern an zu zählen, und der Notar sagt bloß: »Ich schicke Ihnen dann die Rechnung für meine Gebühren.« So als wäre das Verhalten des Goldenen Drachen völlig normal. Die Deutschen trauen uns alles zu, denkt Boss Guan. Oder ist das Ganze ein abgekartetes Spiel? Vielleicht war es ja gar kein Zufall, dass ihm der Goldene Drache auf der Party der Handelskammer begegnet ist?
    Als sie wieder auf der Straße stehen, hat der Goldene Drache erst einmal Hunger. »Komm, wir gehen ins Borchardt «, sagt er. »Ist mir empfohlen worden. Wollen doch mal sehen, ob die Deutschen auch kochen können.«
    Eigentlich mag Boss Guan das Essen in

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