Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
hat, ist der schäbige Musiker Oswald, der Mendy den Kopf verdreht und sie auf Abwege gelockt hat. Ohne ihn und sein zum Himmel stinkendes Konzert wäre das Restaurant eine Strahlende Perle geblieben!
Als Oswald sich umdreht, stößt er fast mit einem Schädel zusammen. Erschrocken zieht er den Kopf ein und wirft sich nach hinten. Was ist das für ein Ungeheuer, das Feuer speit und seine Augen aus dem Schädel herausrollen kann? Bevor er sich ein klares Bild von der Situation verschaffen kann, landet eine Faust in seinem Gesicht. Der Mann mit dem langen Haar taumelt zurück in den Korridor. Zum Glück fängt ihn die Wand auf. Aber bevor er Fuß gefasst hat, trifft der zweite Hieb seine Brust, sodass er tief in die Wohnung purzelt.
Peipei stößt einen gellenden Schrei aus und versucht den Arm des Eindringlings festzuhalten. »Raus mit dir! Raufereien verboten!«
Dass Peipei sich ihm nähert, ist Boss Guan ganzrecht. Eine Frau, die so schnell die Seiten wechselt, hat bestimmt auch das Restaurant angezündet. Das Flittchen hat nichts an den Füßen? Umso besser, dann lernt sie jetzt Eislaufen oder gar Segeln. Er holt mit der flachen Hand aus, um ihr eine zu verpassen …
»Halt!«, ruft Oswald, der jetzt sieht, wen er vor sich hat. Dieser Tyrann, dieses brutale Schlitzauge muss endlich gestoppt werden! Mit gesenktem Kopf stürmt der junge Mann auf den Gegner zu und rammt ihm die Faust in den Unterleib. Aber Boss Guan hat sich geschickt beiseitegedreht, sodass die Faust gerade noch seinen Blinddarm streichelt. Oswald prallt mit dem Schädel gegen die halb offene Tür …
Jetzt sieht Peipei ihre Chance. Neben ihr steht der Schuhschrank. Sie greift nach einem ihrer Stöckelschuhe, und weil Boss Guan ihr den Rücken zukehrt, kann sie mit voller Kraft zuschlagen. Drei, vier Mal hämmert sie mit dem spitzen Absatz auf seinen Hinterkopf. Der Restaurantbesitzer spürt einen stechenden Schmerz vom Scheitel bis zur Zehenspitze, er sackt zusammen und verliert das Bewusstsein …
Als er wieder aufwacht, sieht er erneut die zwei Gesichter vor Augen, die er nicht sehen will, und dreht den Kopf weg. Dass er jetzt einen schrägen Blick hat, merkt er nicht. Er hat nur das Gefühl, als gehöre sein Körper ihm nicht mehr. Wie merkwürdig.
»Der Krankenwagen ist gerade eingetroffen«, sagt Peipei vorsichtig.
Boss Guan versucht aufzustehen. Als er merkt, dass er auf dem linken Bein nicht stehen kann, lässt er sich ins Krankenhaus einliefern. Ohne Begleitung.
Wie so oft geht Yeye an diesem Tag allein ins Bett. Sie hat es sich längst abgewöhnt, nach dem Verbleib ihres Mannes zu fragen. Hätte sie dennoch gefragt, hätte er bloß ins Handy gesagt: »Ich habe noch wichtige Dinge zu erledigen, geh du also schlafen.«
Gerade hat sie das Licht ausgeknipst, da schrillt das Telefon. Sie nimmt den Hörer ab und hält vor Schreck die Hand vor den Mund. Die Stimme ihres Mannes klingt so schwach, als würde er gerade von einer Schlägerbande mit schweren Stiefeln getreten. Er befinde sich in der Charité, teilt er seiner Ehefrau mit. Es drohe ihm keine Lebensgefahr, so viel sei inzwischen klar, aber die Ärzte wollten ihn für ein paar Tage dabehalten, um sein Herz zu beobachten.
Yeyes Hand, die den Hörer festhält, beginnt zu schwitzen. Sie will sofort ins Krankenhaus fahren. Aber der Ehemann würgt ihren Satz ab. Das Krankenhaus habe geregelte Besuchszeiten. Zu dieser Stunde werde sie nicht mehr ins Krankenzimmer hineingelassen. Damit beendet er das Gespräch.
Erst am nächsten Tag stehen Yeye und Mendy an seinem Krankenbett. Seine Augen sind trüb, und er zeigt keine Freude beim Anblick seiner Familie. Als Frau und Tochter sich nach dem Grund seines plötzlichen Aufenthalts im Krankenhaus erkundigen, behauptet er unbestimmt, er habe sich gestern Abend nicht wohlgefühlt. Aber jetzt brauche sich keiner mehr Sorgen zu machen. Er sei in besten Händen. Dann schaut er zum Fenster hinaus und sagt nichts mehr.
Ehefrau Yeye ist über die Bandage am Kopf ihresMannes beunruhigt, und da der nichts sagen will, verlässt sie das Krankenzimmer, um den behandelnden Arzt oder wenigstens eine Krankenschwester zu suchen.
Mendy hat eine Tasse Tee für den Vater geholt und will sie ihm gerade in die Hand drücken, als er plötzlich sagt: »Schmeiß den langhaarigen Dackel mit der Gitarre aus deinem Adressbuch. Der Bursche taugt nur zum Störenfried.«
Mendy runzelt die Stirn. »Meinst du Oswald? Der kann doch keinem Schäfchen ein Haar
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