Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
unter den Augen, dass Boss Guan einen Augenblick glaubt, sie wäre die Elster aus der Kastanie. Sie hat sich zwar mächtig herausgeputzt, aber ihr Gesicht sagt etwas anderes. Boss Guan spürt sofort, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch steht. Mitleid lähmt seinen Zorn, und er verzichtet darauf, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
»Was willst du von mir?«, fragt er kalt, als sie in die Wohnung huscht.
Peipei will eine ganze Menge von ihrem ehemaligen Liebhaber. Unter anderem gehört dazu ein günstiger Mietvertrag für einen kleinen Laden, der sich in einem seiner Häuser in Berlin-Mitte befindet. Sie hat dem Goldenen Drachen das Startkapital für ihre Asien-Boutique abgepresst, aber in letzter Zeit scheint Boss Hong ihrer überdrüssig geworden zu sein. Ihre ewigenForderungen nach Geld und ihre Erpressungsversuche scheinen ihm auf die Nerven zu gehen, und so hat Peipei sich entschlossen, Boss Guan aufzusuchen. »Bitte hör auf, mich zu beschatten«, fleht sie. »Ich habe nicht gewollt, dass du ins Krankenhaus musst. Aber du hast mit der Rauferei angefangen. Wenn du dich immer noch an mir rächen willst, dann tue es jetzt. Ich gebe dir alles, meinen Arm, mein Bein. Ich gebe dir alles, damit dein Groll gegen mich vergeht. Aber hör auf, mich verfolgen zu lassen. Ich halte es nicht mehr aus«, klagt sie.
Boss Guan verdreht die Augen und zuckt mit den Schultern. Was redet sie nur? Ist sie verrückt geworden? Am liebsten würde er sie gleich rausschmeißen.
Als hätte Peipei geahnt, was er vorhat, lehnt sie sich mit dem Rücken gegen die Tür. »Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht dahintersteckst. Aber vergiss nicht, du hast eine eifersüchtige Frau, die mir am liebsten die Augen auskratzen und meine Lippen zertreten würde. Du musst sie stoppen.« Als der Mann sie bloß kopfschüttelnd ansieht, blickt sie über die Schulter, als stünden ihre Verfolger bereits hinter ihr, und wirft sich in seine Arme. Mit bebender Stimme erzählt sie, dass sie abwechselnd von zwei Männern verfolgt werde, wenn es dunkel sei. Einmal habe ein Mann mit einer Baseballmütze sogar sein Auto ein paar Meter vor ihr angehalten und die hintere Tür aufgehalten, als sie nach Hause gekommen sei. Hätte sie nicht schnell die Tür aufgeschlossen und sich in den Hausflur geflüchtet, wer weiß, was passiert wäre. Vielleicht habe der Mann sie entführen und ihr die Beineausreißen wollen …
»Du bist verrückt. Meine Frau tut so was nicht.« Boss Guan schiebt sie weg, kann seine Augen aber nicht von ihr abwenden.
»Deine Frau tut so was nicht?«, äfft sie ihn nach und schiebt sich das Kleid von der rechten Schulter. Auf der nackten Haut ist eine rote, geschwollene Bissspur zu sehen. Sie ist so hässlich, als läge dort ein Drachenmaul. »Schau mal, wie deine Frau mich zugerichtet hat. Die ist keine zahnlose Tasche.«
Der Mann scheint verunsichert.
»Willst du noch mehr sehen?« Sie entblößt die andere Schulter. Auf einmal rutscht ihr das dünne Kleid bis zur Hüfte, und sie steht im Büstenhalter vor ihm. Vorsichtig hebt sie eine Brust an und zeigt auf ihr Herz. »Hier hat sie mir einen Fausthieb verpasst. Noch heute tun mir die Rippen weh.« Vor Schmerzen beißt sie sich auf die Lippe, und bei der Erinnerung an die erlittene Demütigung beginnen sich ihre Augen mit Tränen zu füllen. Wie ein zum Abschuss freigegebenes Vögelchen steht sie da und zittert am ganzen Leib. Ihre Kräfte scheinen sie zu verlassen, sie taumelt und sucht nach Halt. Da streckt Boss Guan seufzend die Hand aus und zieht die Frau an sich.
Kaum haben die Körper zueinandergefunden, verstummen die Stimmen, nur die Hände tasten gierig nacheinander. Keuchend schieben sie sich ins Schlafzimmer. Um die Frau aus dem Kleid zu schälen, greift der ungeduldige Mann heftig nach unten und fügt dem geschlitzten Seidenkleid einen Riss zu …
Plötzlich donnert es an der Tür. »Aufmachen! Polizei!« Heftige Schläge erschüttern die Wohnung. Der Mann trennt sich sofort von der Frau und greift im Dunkeln nach seiner Hose.
»Wieso Polizei?«, murmelt Peipei. »Die haben sich in der Tür geirrt, oder?«
Ein hämmerndes Getöse übertönt ihr Gemurmel. Es ist eindeutig, dass die Männer da draußen versuchen, die Tür einzuschlagen. So zu tun, als wäre niemand zu Hause, nützt also nichts. Boss Guan streicht sich das Hemd glatt und öffnet die Tür einen Spalt. Schon wird die Tür aufgedrückt, und mehrere mit schwarzen Masken, Helmen und kugelsicheren Westen
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