Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
Hund wird gerade ausgeführt«, sagt er beiläufig. Einen Moment lang krault er das üppige weiße Fell der Angorakatze.
Mendy ist beeindruckt von der Großzügigkeit der Räume und den teuren Möbeln. »Du wohnst wie ein orientalischer Prinz«, sagt sie ehrfürchtig.
Am Ende des Korridors angelangt, denkt Mendy gerade, die Besichtigung sei beendet, da nimmt Boss Hong einen Schlüssel von der Wand und öffnet die letzte Tür. Auf einmal stehen sie im hinteren Treppenhaus. Er öffnet die Tür gegenüber. Zu Mendys Überraschung sieht sie keine Wohnung, sondern ein großes, modernes Büro mit Computern und großen Schreibtischen. Unter einem der Tische erspäht sie ein Paar feine Frauenstiefel. Soll das ihr Arbeitsplatz werden? Sie wagt einen Schritt hinein und will noch mehr sehen. Doch der Goldene Drache zieht sie zurück. »Hier arbeiten nur meine Sekretäre und Assistenten. Nichts Sehenswertes.«
»Ich dachte, deine Firma wäre in Singapur.«
»Das hier ist nur eine Zweigniederlassung«, sagt der Mann und führt Mendy in seine Wohnung zurück.
»Was macht deine Firma eigentlich?«
Boss Hong lässt sie raten. Sie tippt auf Import-/Export-Geschäft. Er nickt und muntert sie auf, in dieser Richtung zu vertiefen. Sie tippt auf Fisch, Lebensmittel, Textilien, Schuhe, Auto, Stahl, Computer … Er hört aufmerksam zu. Hin und wieder nickt er. Erst als sie »Erdöl« sagt, lächelt er breit und meint, sie sei eine kluge Frau. »Du hast alles richtig geraten. Aber das Erdöl ist natürlich das größte Geschäft. Wir befinden uns gerade in der Expansion. Darum brauche ich auch mehr Leute.«
»Wenn ich bei meiner Bank angefangen habe, werde ich nicht mehr viel Zeit haben. Aber wenn du möchtest, kann ich an den Wochenenden für dich arbeiten«, bietet Mendy an.
»Nun, du sprichst von deiner Bank, aber du scheinstnoch nicht viel zu wissen. Ich mache auch Finanzierungen.« Auf den erstaunten Blick der jungen Frau reagiert er mit einem hingeworfenen Satz. »Warum sollte deine Familie sonst so viel Geld von mir leihen wollen?«
Sie schlendern durch den langen Korridor zurück. Mendy fällt erneut auf, dass der Korridor mit Bildern von chinesischen und westlichen Gegenwartskünstlern geschmückt ist. Die Sammlung muss einiges wert sein, aber genau kann Mendy das nicht beurteilen. Ob der Goldene Drache etwas von Kunst versteht? Irgendwie gefällt ihr die Galerie. Hin und wieder bleibt sie vor einem Bild stehen, um es zu betrachten. Der Goldene Drache begleitet sie und erzählt, wann und wo er die Bilder gekauft hat.
Schließlich stehen sie vor einer Tür, die Boss Hong bislang nicht geöffnet hat. »Soll ich dir noch mehr zeigen?« Er wartet, bis sie dicht neben ihm steht, dann drückt er die Klinke herunter und tastet im Inneren nach dem Lichtschalter. In angenehm gelbem Licht taucht ein luxuriöses Schlafgemach auf. Ein großes chinesisches Bett aus dunklem Holz mit geschnitzten Verzierungen steht im Zentrum des Raums. Die anderen Möbel sind ebenfalls aus kostbaren Hölzern und zeigen dunkel schimmerndes Gold.
»Du lebst in einem Palast, Onkel Hong«, staunt Mendy mit offenem Mund und überlegt zugleich, wie sie jetzt noch entkommen kann.
»Willst du dich mal zur Probe aufs Bett legen?«, fragt er in einem Ton, als wären sie ein intimes Paar. Mendy erstarrt, als sie seine feste Hand im Nackenspürt. »Möchtest du meine Geliebte und meine private Assistentin werden, mein kleines Perlhuhn?«
Mendy hat das Gefühl, dass flüssiges, heißes Blei ihre Adern füllt und ihre Glieder unendlich schwer werden. Einen Augenblick lang kann sie weder sprechen noch sich bewegen. Dabei ist sein Mund ihren Lippen bedrohlich nahe gekommen, und der Türrahmen lässt ihr keinen Ausweg. Doch er küsst sie nicht, sondern streichelt sie nur. Den Nacken, die Schultern, den Hals. Als seine Hand beiläufig ihre Brustspitzen streift, geht ein Ruck durch den Körper der Frau. Im nächsten Moment befreit sie sich unsanft aus seiner Umarmung. »Ich muss nach Hause. Es ist spät.« Sie flüchtet in den Korridor und rennt durch die Zwischentür, die zum Wohnzimmer führt. Erst als sie ihre Jacke schon in der Hand hält, wird ihr bewusst, dass der Goldene Drache ihr nicht gefolgt ist. Wie gelähmt bleibt sie stehen. Sie darf sich nicht wie ein Kind benehmen. Sie muss ihren Vater retten …
Boss Hong ist verärgert. Er macht zwei Schritte ins Schlafzimmer, schließt mit einem Fußtritt die Tür hinter sich und geht dann ins angeschlossene Bad,
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