Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
Nein, sie wird ihre Nebenbuhlerin anders verjagen. Aber zuerst muss sie herauskriegen, wer die neue Liebe von Boss Hong ist. Um ihre Gedanken zu ordnen, geht Peipei langsam am Ufer der Spree entlang Richtung Zentrum.
Die Promenade ist zwar nicht gut beleuchtet, aber es sind genug gut gelaunte Menschen unterwegs, sodass Peipei die Dunkelheit als angenehm empfindet. Als ihr ein Mann im schwarzen Anzug mit einem Zylinder entgegenkommt, macht sie sich keine Gedanken. Es gibt viele Spinner in dieser Stadt. Doch der Mann ändert plötzlich die Richtung und kommt auf sie zu. Sie will ihm gerade ausweichen, da spürt sie auch schon einen heftigen Stoß an der Schulter, sodass sie sich an einem Baum am Straßenrand festhaltenmuss, um nicht auf den Hintern zu fallen. Ist der Kerl besoffen? Oder hat er das absichtlich getan? Sie stößt einen leisen Protestlaut hervor, aber der Mann macht sich klein und verschwindet im Dunkeln.
Nach diesem Zusammenstoß hört Peipei ihr Herz aufgeregt mit den Flügeln schlagen. Das Gefühl, verfolgt zu werden, erfasst sie wie ein reißender Strom. Sie beschließt, nicht mehr im Dunkeln herumzuschlendern, sondern direkt nach Hause zu gehen.
Sie biegt in die helle Stromstraße ein, und gerade als sie sich in Sicherheit wähnt, erblickt sie den Mann im schwarzen Anzug erneut. Wie ist das nur möglich? So schnell kann der Mann doch nicht rennen, dass er ihr jetzt schon wieder entgegenkommt. Oder handelt es sich um einen Doppelgänger? Aufgrund seiner Gangart tippt sie auf einen Landsmann, was sie noch mehr beunruhigt. Gibt es also tatsächlich ein Komplott gegen sie? Wenn nicht, warum hat der Mann seinen Hut dann so tief ins Gesicht gezogen? Und warum hält er die ganze Zeit mit einem Taschentuch seinen Mund zugedeckt, als hätte er Goldstaub im Mund? In Peipeis Kopf schrillt eine laute Alarmglocke. Wie eine Welle überspült sie die Panik, und ihre Knie werden weich. Sie wechselt die Straßenseite.
Um die breite Straße zu überqueren, muss sie Autos aus beiden Richtungen ausweichen. Gerade als sie den Gehweg auf der anderen Seite erreicht, springt sie ein großer Hund an. Erschrocken tritt sie auf die Fahrbahn zurück und überhört ein lautlos fahrendes Auto. Der Mercedes reißt ihr die Beine weg, ihr Kopf schlägt auf die Windschutzscheibe, dann segelt sie federleichtdurch die Luft und bleibt mit gebrochenem Genick in einer bizarren Blumenform liegen, während ihr blondiertes Haar sich im Blut wieder schwarz färbt.
Tubai sehnt sich danach, zu Mendy zurückzukehren und vor dem Einschlafen auf ihren Atem zu horchen, doch seine Arbeitgeberin Yeye lässt ihn nicht gehen.
Seit Michael von Unbekannten angegriffen worden ist, liegen ihre Nerven so blank, dass sie das Alleinsein mit dem Kind nicht mehr erträgt. Überall sieht sie Feinde und böse Geister und hat solche Angst, dass sie Tubai am liebsten gar nicht mehr aus dem Haus lassen würde. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als nachts auf dem Sofa liegend die Wohnungstür zu bewachen, damit sich kein Einbrecher Zutritt zur Wohnung verschafft und weiteres Unheil anrichtet. Erst wenn er Michael in die Schule gebracht hat, darf sich Tubai ein paar Stunden freinehmen.
Dann geht er meist eilig zu Mendy hinüber, um seine Sehnsucht nach ihrem Anblick zu stillen. Da Mendy ihm einen Schlüssel gegeben und ihr Sofa als Bett geschenkt hat, hat er jederzeit Zutritt zu ihrer Wohnung. Aber am Vormittag hat Mendy meist selbst etwas vor und befindet sich oft in Eile. Kaum haben sie ein paar kurze Sätze gewechselt, flitzt die junge Frau auch schon aus der Wohnung.
Wenn Mendy gegangen ist, hat Tubai immer das Gefühl, als wäre sein Herz fort. Aber er ist es gewohnt, nicht lange über seine Gefühle nachzudenken, sondern ununterbrochen zu arbeiten. Mit ein paar schnellen Griffen räumt er die Wohnung auf, dann widmet ersich seiner Wasser-und-Stein-Kampfkunst, dem Kung-Fu, bis er von Kopf bis Fuß geschmeidig ist wie ein Leopard. Danach fühlt er sich meist sehr unternehmungslustig. Da es aber außer der Arbeit bei Yeye nichts für ihn zu tun gibt, legt er sich noch für kurze Zeit auf sein Sofa, um den versäumten Schlaf nachzuholen. Einmal hat er sich Mendys Unterwäsche aus dem Wäschekorb gefischt und sie in seinen Kissenbezug gesteckt, um ihren Duft einzusaugen.
An diesem Abend hat Tubai wie gewohnt ein Essen für die Familie gekocht. Aber zu seiner Überraschung soll er kein Gedeck für Mendy auflegen. Verdrießlich kaut Tubai auf seinem Reis.
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