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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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weil du dir die Hände nicht gewaschen hast«, sagte Ella.
    »Du bist doch bloß neidisch, weil sie mich lieber mögen als dich. Sie können zornige Leute nicht leiden.«
    »Ich bin nicht zornig.«
    »Dann streck die Arme aus. Du auch, Mama.«
    Ella breitete seufzend die Arme aus, und Nora tat es ihr gleich.
    »Nicht bewegen«, flüsterte Annie.
    »Ja, Eure Hoheit«, brummte Ella.
    »Ruhig, sonst fliegen sie weg.«
    Sie standen reglos und mit angehaltenem Atem da; der Wind blies durch ihre Haare und Kleider, die Äste und das Gras. Ein Schmetterling krabbelte mit bebenden Flügeln und zuckenden Fühlern über ihre Finger, dann ein weiterer und noch einer.
    Annie, Ella und Nora drehten eine Pirouette. »Fliegt!«, rief Annie. »In den Himmel!«
    Die Schmetterlinge erhoben sich in einer orange-schwarzen Wolke, wie Funken, wie Asche, in den perlgrauen Himmel.
    Die drei durchquerten den Wald, in dem die Kiefern einen scharfen, durchdringenden Geruch verströmten, und betraten kurz darauf die Gänseblümchen- und Lupinenwiese vor Cliff House.
    »Mom, warum liegt Tante Maire am Boden?«, rief Ella, die wie immer ein wenig vor ihnen lief. »Mom!«
    Nora rannte zu Maire. Annie begann zu weinen. Ella zitterte. »Holt Owen«, sagte Nora. »Beeilt euch!«
    Die beiden rannten los.
    »Maire.« Nora lauschte auf Maires Herzschlag, ihren Atem, fühlte ihren Puls. »Maire …«
    Warum hatte sie die Mädchen nicht zum Telefon geschickt? Sie wollte sie gerade zurückrufen, als Maire verwirrt blinzelnd die Augen aufschlug. »Ach, du bist es«, sagte sie. »Du bist wieder da.«
    »Ja.« Nora hielt ihre Hand.
    Maires Griff wurde fester. »War nicht so gemeint …«
    Was um Himmels willen redete sie da? »Ganz ruhig, ich bin da.«
    »Ich wünschte, ich hätte …« Maire blickte in Noras Gesicht, doch es war, als würde sie sie nicht sehen.
    Nora bekam eine Gänsehaut. »Ist schon okay«, sagte sie.
    Maire blinzelte. »Nora?«
    Für wen hatte Maire sie gehalten? Für Maeve?
    »Was ist passiert? Ich …«
    »Du musst ohnmächtig geworden sein.«
    »Ich hatte vorübergehend jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren.«
    »Wo, dachtest du, bist du?«
    »An einem Ort, an dem die Nebel sich nie lichten«, antwortete sie kryptisch.
    »Was meinst du damit? Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    Maire holte tief Luft. »War nur ein kleiner Schwindelanfall.« Sie wischte sich den Schmutz von den Armen. »Nichts Dramatisches. Ich hab nicht mal einen Kratzer.«
    »Aber du warst bewusstlos. Glaubst du nicht …«
    »Das passiert manchmal.« Sie lachte verächtlich. »Verdammter Zucker.«
    »Wir sollten deinen Arzt anrufen.«
    »Nicht nötig. Ich habe öfter Unterzucker. Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Es besteht kein Anlass zur Sorge.«
    Nora war alles andere als überzeugt. »Geh rein und ruh dich ein bisschen aus.«
    »Ein Tässchen Tee könnte nicht schaden.« Maire nahm Noras Hand.
    Nora spürte, wie sie beim Aufstehen leicht schwankte und ihre Hände zitterten. Anscheinend hatte etwas sie aus der Fassung gebracht, etwas, worüber sie nicht reden wollte.
    Die Mädchen und Owen hasteten gerade zur Tür herein, als Nora Maire aufs Sofa setzte. Ein Schmutzstreifen an Maires Arm und ein kleiner Zweig in den Haaren waren die einzigen Spuren, die der Zwischenfall hinterlassen hatte.
    »Ich bin eine schlechte Gastgeberin. Ein paar Kekse zum Tee wären nicht schlecht.« Maire wollte aufstehen.
    Nora legte eine Hand auf ihre Schulter. »Darum kümmere ich mich schon.«
    »Ich bin nicht behindert«, wehrte sich ihre Tante. »Hör doch bitte auf, so ein Trara zu machen.«
    Owen setzte sich neben Maire, um sie abzulenken. »Die Mädchen und ich wollten fragen, ob du uns mehr über die Schiffe erzählen kannst, die hier gekentert sind.«
    »Das interessiert euch, was?« Seine Gegenwart wirkte beruhigend auf sie. »In der Nacht, in der es dich hierher verschlagen hat, bist du vermutlich an Wrackteilen vorbeigekommen. Es gibt nicht viele Seeleute, die es bei solchem Wetter schaffen, an Land zu gelangen.« Sie musste an Jamie und ihren Mann denken.
    »Ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann.«
    »Wie viele sind hier gestorben?«, fragte Annie.
    »Zu viele zum Zählen. An Winterabenden, wenn der Nebel dicht über der Küste hängt, schweben ihre Geister angeblich über dem Wasser.«
    »Hab ich’s dir nicht gesagt?«, wandte Ella sich an ihre Schwester.
    »Gott sei Dank ist nicht Winter«, meinte Annie erschaudernd.
    »Die meisten

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