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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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hierhergebracht?«
    »Weil ich es für das Beste gehalten habe. Tante Maires Brief ist zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Ihr wisst, wie es zu Hause war.«
    »El …«, mischte sich Annie ein.
    »Aber dass wir hier sind, bringt nichts.« Ella knallte ihren Löffel mit lautem Scheppern auf den Tisch.
    »Ich bin euretwegen hergekommen.«
    »Nein. Du wolltest rausfinden, was mit deiner Mutter passiert ist. Du wolltest fliehen – vor der Sache mit Dad.« Sie sprang auf und stürmte hinaus.
    »El, warte.« Annie lief ihr nach.
    Die Tür, die Ella zugeschlagen hatte, schwang wieder auf, so dass ein schmaler Streifen wolkenverhangenen Himmels und der Regen über dem Meer zu sehen waren. Nora richtete den Stuhl, den Ella umgeworfen hatte und an dem sich jetzt eine Kerbe befand, auf. »Vielleicht hast du recht«, murmelte Nora.
    Wenig später hörte sie Schritte auf der Terrasse. Noras Herz schlug schneller. Sie würde Owen wegschicken, ihm sagen, dass vergangene Nacht ein Fehler gewesen war.
    »Guten Morgen«, rief Maire.
    Nora stieß einen Seufzer der Erleichterung, vielleicht auch der Enttäuschung aus.
    »Hast du einen schönen Abend verbracht?«, erkundigte sich ihre Tante fröhlich wie immer. »Du hast doch nicht rumgesessen und gegrübelt, oder?«
    »Nicht sehr lange.«
    »Er kommt wieder.«
    Wer? »Möglich«, sagte Nora.
    »Ein Blinder sieht, dass er dich nach wie vor liebt.«
    Malcolm. Natürlich meinte sie Malcolm. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass er eher die Vorstellung von mir als die reale Person liebt.«
    »Es ist gut, dass du hier bist. Das verschafft dir Zeit und Distanz. Er kommt zur Vernunft. Du wirst schon sehen.« Maire streckte ihr einen Korb mit Babykarotten, grünem Salat und roten Beten hin. »Ich wollte Owen auch was bringen, aber der war nicht da.«
    »Weißt du, wo er steckt?«, fragte Nora so beiläufig wie möglich.
    »Wahrscheinlich ist er beim Fischen. Eines Tages wird er uns verlassen, zu seinem eigentlichen Leben zurückkehren. Davor graut mir. Ich habe mich daran gewöhnt, dass er hier ist. Inzwischen kennt er diesen Abschnitt der Küste genauso gut wie ich, wenn nicht besser. Ich spiele mit dem Gedanken, ihm Joes altes Boot zu geben. Es ist nicht leicht für ihn, kein Boot zu haben. Der Anfang ist gemacht: Er ist dabei, es herzurichten, und kommt erstaunlich gut voran. Wahrscheinlich arbeitet er Tag und Nacht daran, wenn er sich nicht gerade auf den Klippen oder sonst wo rumtreibt. Manchmal frage ich mich, ob er jemals schläft.«
    Plötzlich musste sie sich an einem Stuhl festhalten und sich setzen.
    »Ist dir wieder schwindlig?«
    »Ein bisschen. Das passiert manchmal, besonders morgens. Blöder Zucker. Überflüssig wie ein Kropf.«
    »Bist du beim Arzt gewesen?«
    »Ja, ja. Der konnte mir auch nichts Neues sagen. Mach dir keine Sorgen um mich. Du hast selber genug Probleme.« Sie holte tief Luft, stand wieder auf und drehte eine kleine Pirouette. »Siehst du, schon vorbei. Außerdem bin ich nicht hergekommen, um dir die Ohren vollzujammern. Ich wollte dich fragen, ob du zu den Bienen mitgehst.«
    Auf dem Weg nach Cliff House erzählte Maire vom Garten und ihrem Traum, Hühner zu halten. Dort angekommen, legte Nora den Imkeranzug an, das Netz und die Handschuhe. Maire hatte auch Anzüge für die Mädchen genäht, weil es die nicht in Kindergröße zu kaufen gab. Die beiden Frauen gingen zu den Bienenstöcken am Rand des Obstgartens, wo das Licht der Sonne die Bienen jeden Morgen weckte und sie aus dem Stock lockte.
    »Die Bienen fordern unsere ungeteilte Aufmerksamkeit«, stellte Maire fest. »Sie ermöglichen es uns, Abstand zu gewinnen von unseren Problemen.«
    Wenn Nora sich nur auf die Bienen hätte konzentrieren können. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu Owen und Malcolm. »Wann ist der Honig fertig?«, fragte sie.
    »Das wird noch eine Weile dauern. Die Bienen fangen gerade erst an. Sie brauchen die Wärme, die Sonne, die Blumen, und das alles gibt es jetzt hier. Der Hochsommer auf der Insel ist wunderschön.«
    »Ja«, pflichtete Nora ihr bei, die nirgendwo sonst die innere Verbundenheit der Dinge sowie den Trost, den die Natur spenden konnte, so deutlich gespürt hatte wie hier. Jenseits des Obstgartens war der Grund wild belassen; überall wuchsen Gras, Bäume und Sträucher, und die Bienen schlüpften zufrieden vor sich hin summend in die Blütenkelche der Glockenblumen.
    »Magst du ihn?«, fragte Maire.
    »Wen?« Nora war dankbar, dass das Netz ihr Gesicht

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