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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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bleierne Grau. Ein Tropfen Regen, ein weiterer, dann öffneten sich die Schleusen des Himmels. Der Regenguss scheuchte sie zurück ans Ufer, den schlammigen Pfad hinauf, bis sie die Tür erreichte. Tief durchatmen. Ganz langsam. Hineingehen.

NEUNZEHN
    N ora und die Mädchen schauten nach den Bienen. Im Garten blühten Kokarden- und Sonnenblumen, leuchtende Gelb- und Rottöne. Die Früchte im Obstgarten reiften, Grün wich den Farben Lila und Scharlachrot. Bald würde man die Pflaumen ernten können. Der Garten gedieh, auch wenn die Gärtnerin nicht mehr lebte. Sie würden sie vertreten, so gut es ging.
    »Wissen sie, dass sie tot ist?«, fragte Annie und deutete auf die Bienen. Die Mädchen waren fasziniert von den Insekten. Maire hatte ihnen beigebracht, sich ruhig und sicher zwischen ihnen zu bewegen.
    Ella blies Rauch in den Stock, was die Wächterbienen in Alarmbereitschaft versetzte, jedoch kurze Zeit später beruhigte. Die Mädchen hatten jedem Bienenstock einen Namen gegeben, als wären sie tatsächlich Königreiche: Floris, Narnia und Petalline.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Nora. Maire hatte ihr Geschichten von Bienen erzählt, die nach dem Tod des Imkers weggeflogen waren. Nora hoffte, dass Maires Bienen bleiben würden.
    »Vielleicht fliegen sie jetzt auch weg«, meinte Ella. »Sie sind ihre, nicht unsere.«
    »Jetzt gehören sie uns«, widersprach Nora. »Wie alles andere auch.« Das Cottage, die Landspitze, Cliff House.
    »Unser Sommerhaus«, schwärmte Annie.
    Möglicherweise mehr. Nora konnte sich entscheiden zu bleiben, sich ein Leben auf der Insel aufzubauen. Es gab so vieles zu ordnen. Doch sie musste sich auf eines konzentrieren wie die Bienen, die fleißig von Blüte zu Blüte flogen. Nora und die Mädchen würden den Honig im September einsammeln, falls sie bis dahin blieben, oder zu einem langen Wochenende zurückkehren. Sie wusste nicht, was die Zukunft bringen, welchen Platz die Insel in ihrem Leben einnehmen würde.
    Sie ernteten grüne Bohnen und schnitten Sonnenblumen ab. In Maires altem Korb mit dem abgewetzten Griff befand sich eine üppige Vielfalt, die Maire nie mehr sehen würde.
    Vom Boot klang Hämmern herüber. Owen arbeitete Tag und Nacht, ohne Unterlass. Nora hatte ihn seit der Beisetzung nicht mehr gesehen; keiner von ihnen wollte den ersten Schritt tun.
    »Ich hab Hunger«, verkündete Annie, als sie einen Korb mit Tomaten auf die Veranda schleppte.
    »Geht ihr zwei doch ins Cottage und macht Sandwiches fürs Mittagessen, ja? Ich komme gleich nach. El, du übernimmst die Regie.«
    »Was sollen wir drauftun?«
    »Was ihr wollt.«
    Sie sah ihnen nach, wie sie leichtfüßig wie junge Rehe im Wäldchen verschwanden, und machte sich auf den Weg zum Aussichtspunkt. Wenn er nicht zu ihr kam, musste sie eben zu ihm gehen. Owen trug gerade eine letzte Schicht Lack auf das Holz des Bootes auf, das Maire ihm hinterlassen hatte.
    Nora rief ihm einen Gruß zu.
    Er blinzelte ins Licht. »Ich habe keine Lust auf Spielchen.«
    Sein Tonfall verblüffte sie. »Ich hatte nicht die Absicht, dich auf ein Spiel einzuladen.«
    »Klar, du hast ja schon einen vierten Mann.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    Er hämmerte auf einen herausstehenden Nagel ein. »Ich hab ihn bei der Beerdigung gesehen.«
    »Ich weiß. Du bist gegangen, bevor ich es dir erklären konnte.«
    »Du musst mir nichts erklären.«
    »Ich habe ihn nicht hergebeten.«
    »Das sagst du die ganze Zeit, und trotzdem taucht er immer wieder hier auf.«
    »Er ist weg. Nicht dass dich das was angehen würde.«
    »Das habe ich nie behauptet.« Er ging in die Plicht. Sie konnte seine Umrisse erkennen, wie er sich hinter dem Glas bewegte.
    Sie würde ihm nicht folgen. Komplizierte Dinge konnte sie jetzt nicht gebrauchen.
    Als Nora im Cottage die schmutzigen Tassen und Teller vom Frühstück auf dem Tisch stehen sah, verschlechterte sich ihre Laune weiter. »Erwartest du, dass das Geschirr sich von allein spült?«, fragte sie Ella.
    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts. Ich hab nur die Unordnung satt.«
    »Was für ein Urlaub! Andere nennen so was Straflager.«
    »Dann sollte ich einen Arbeitsplan für dich aufstellen, damit’s authentischer wird.«
    »Ha, ha«, spottete Ella. »Fahren wir heute in den Ort? Ich will Dad sehen.«
    Nora verdrehte die Augen. Herr, gib mir Kraft.
    »Bei der Beerdigung hast du ihn wieder verjagt, stimmt’s? Und das, nachdem er so weit gefahren ist, um bei uns zu sein.«
    »Falls dir das noch nicht

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