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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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verlassen konnte, dass sie Anweisungen befolgte.
    Die Fischerhütte war so baufällig wie eh und je, nicht zum ständigen Wohnen gedacht, nur zur Aufbewahrung von Tauen und Angelschnüren. Wer konnte an einem solchen Ort wohnen? Wer wollte das? Rauch stieg in Form eines Fragezeichens aus dem Kamin. Obwohl Ella sich einredete, dass sie nicht an Märchen und Magie glaubte, spürte sie die unheimliche Atmosphäre. Sie straffte die Schultern. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt für Zweifel.
    Ella klopfte an der Tür. Keine Antwort. Vielleicht war er unterwegs. Am Pier hatte sie ihn nicht gesehen. Fast hätte Ella der Mut verlassen, und sie wäre wieder zurückgelaufen, doch da öffnete sich die Tür wie von selbst, und er trat heraus, dieser Mann, der ihrer Mutter zu viel Aufmerksamkeit widmete. Ella wusste, was zu tun war.
    »Wir fahren heim«, teilte sie ihm mit.
    »Deine Mutter …« Sein Blick wanderte zu dem Feld hinter ihr, als suchte er nach Nora.
    »Das soll ich Ihnen sagen. Sie meint, so wäre es leichter. Sie würden das schon verstehen.« Es klang glaubwürdig. Ihr Vater wäre stolz auf sie. Vielleicht würde sie im Herbst in Boston Schauspielunterricht nehmen. »Sie verstehen das doch, oder?« Ella sah ihn mit mitfühlendem Blick an.
    »Ja.«
    Sie wusste, dass er keine weiteren Fragen stellen würde, und registrierte mit einem Gefühl des Triumphs das Bedauern in seinem Blick. Des Triumphs und des Zweifels. Das Vergnügen, ihm wehzutun, war nicht so groß, wie sie gedacht hatte. Letztlich wollte sie ihn gar nicht verletzen, sondern nur nach Hause, zu ihrem Vater.
    Sie würden nach Boston zurückkehren.
    Und Owen würde an den Ort zurückkehren, von dem er kam, wo der auch immer sein mochte.
    Nora ging die Kartons im Speicher durch, Annie betrachtete die Karten. »Die Markierungen haben sich verschoben«, stellte sie fest. »Jetzt sind mehr Seehunde auf Little Burke.«
    »Ich glaube, diese Markierungen waren letztes Mal schon da, Liebes«, sagte Nora. »Die Karte hat Schimmelflecken. Könnte sein, dass wir sie wegwerfen müssen.«
    »Nein!«, rief Annie aus. »Die behalten wir. Egal, wie alt sie ist … Tante Maire hat gesagt, der Zauber steckt in allem, auch in uns. Wir müssen ihn nur finden.«
    »Hat sie das gesagt?« In ihrer Verwirrtheit, die die Vergangenheit mit Mythen verbunden hatte. Würden sie sie je voneinander lösen können?
    So viele Familienerbstücke, sorgfältig bewahrt. Maire, die Bewahrerin. Was hatte sie sonst noch aufgehoben? Oder versteckt? Auch Dinge von Maeve? Da waren Porzellanpuppen aus der Kindheit der Schwestern. Ziehwagen. Ein Kreisel. »Schau, er dreht sich«, sagte Annie. »Wie der Kompass. Ist der Kompass kaputt? Die Nadel ruckelt immer so komisch.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Nora. Die erratischen Bewegungen der Nadel waren ihr so auf die Nerven gegangen, dass sie den Kompass in die Schublade des Nachtkästchens gelegt hatte. »Keine Ahnung, wie er funktioniert.«
    »Du hast gesagt, Opa hätte es dir gezeigt.«
    »Sein Kompass war anders als der meine. Vielleicht ist Sand reingekommen.«
    Auf dem Boden eines Überseekoffers, der mit Kleidern aus den fünfziger und sechziger Jahren gefüllt war – prächtige Stoffe, wenn auch ein wenig vergilbt und seit Jahren nicht herausgenommen –, lag ein mit einem dicken Band zugebundenes Tagebuch mit Ledereinband. Ein Tagebuch, auf dem in geprägten Lettern »Privat« stand. Fand sich darin etwas, das Maire Nora nicht erzählt hatte, aus einer Zeit, in der ihr Geist noch klar gewesen war? Nora steckte es in die Tüte mit den Reinigungsmitteln, darunter Essig und Orangenöl, Substanzen, mit denen man angelaufenes Metall wieder auf Hochglanz, alte Dinge ans Licht bringen konnte.
    Nora hatte selbst Tagebücher, in einer Schachtel ganz hinten in der Abstellkammer des Hauses in der Oak Street, hinter dem alten Schaukelpferd der Mädchen und dem Kinderbett. Hinter den Spielsachen und den Babymöbeln, die sie und Malcolm nicht weggegeben hatten, obwohl die Mädchen aus ihnen herausgewachsen waren – eine Verbindung zur Vergangenheit, zum Herzen ihrer Kindheit. Nora überlegte: Wollte sie, dass ihre Töchter später einmal ihre Tagebücher lasen? Ihre Fehler, Freuden, Sorgen, Klagen, Beobachtungen zu Dingen, die ihr jetzt unwichtig erschienen? (Nach der Geburt der Mädchen hatte sie mit dem Tagebuchführen aufgehört, weil kaum noch Zeit für eigene Gedanken blieb und noch weniger zum Niederschreiben.)
    Privat. Maire war tot. Nora

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