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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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Nora und ihre Großmutter.
    »Kein Problem«, sagte Nora.
    »Sicher?« Alison blieb in der Nähe, um im Bedarfsfall dazwischengehen zu können.
    »Warum bist du noch da?«, fragte Maggie Nora. Sie trug dieselbe Kleidung wie bei ihrer ersten Begegnung, die Hose von einer Sicherheitsnadel zusammengehalten, der Stoff mit Flecken übersät.
    »Ich wohne hier«, erinnerte Nora sie.
    »Es ist alles deine Schuld.« Maggie wippte auf den Fußballen vor und zurück, das Kinn auf der Brust. Die Haare hingen ihr in fettigen Strähnen herunter.
    »Was?«
    »Er war doch noch ein Junge.«
    »Wer?«
    Nun sprudelte es nur so aus Maggie heraus. »Für dich einer von vielen. Nial. Er war mein Tanzpartner. Du hattest Rory Gleason, aber einer war dir nicht genug. Du musstest alle Jungen im Raum haben. Und ich stand wie ein Idiot daneben und hatte niemanden zum Tanzen, niemanden zum Reden. Du hast alle Blumen und alle Männer gekriegt, sogar die Begleitpersonen haben dich mit den Augen verschlungen. Irgendwann bist du raus auf die Felsen und hast versprochen, jeden zu küssen, der dich einholt. Dann bist du im Kleid ins Wasser gewatet, sie hinterher. ›Das Wasser ist warm genug‹, hast du gesagt. Aber das stimmte nicht. Nial ist zu weit rausgeschwommen. Es war kalt. Du wusstest, dass er kein guter Schwimmer ist – niemand konnte schwimmen wie du. Es waren so viele Jungs im Wasser – du warst das einzige Mädchen –, dass er niemandem gefehlt hat. Dass er nicht da war, haben sie erst am nächsten Morgen gemerkt, als die Sonne schien und sie wieder nüchtern waren. Später ist er am Strand angeschwemmt worden, die Haut blau wie das Meer.« Sie begann zu schluchzen. »Du bist nicht mal zur Trauerfeier gekommen. So wenig hast du dir aus ihm gemacht.«
    »Ich weiß nicht, was sie redet«, sagte Alison leise zu Nora, während Maggie mit starrem Blick auf den Fußballen wippte. »Sie bringt wieder alles durcheinander.«
    Nora nickte. Die Wahrheit würden sie nie erfahren, weil sie ihre Mutter nicht mehr fragen konnte.
    »Komm, Oma.« Alison legte eine Hand auf Noras Schulter, bevor sie Maggies Arm ergriff. »Gehen wir nach Hause.«
    Am Abend traf Nora sich mit Polly in Cliff House, um die Schränke zu inspizieren. »Nach heute Nachmittag würde es mich nicht wundern, wenn wir die eine oder andere Leiche im Keller fänden.«
    Polly schüttelte den Kopf. »Maggie muss da was verwechselt haben. Nial hat mit den anderen gewettet, dass er es schaffen würde, bis zu den äußeren Felsen zu schwimmen. Er hat’s nicht geschafft. Maeve war gar nicht dabei. Sie hatte nichts mit seinem Tod zu tun.«
    »Aber Maggie ist davon überzeugt, dass meine Mutter ihn ihr ausgespannt hat. War sie tatsächlich so hinterhältig?«
    »Nicht absichtlich. Sie hatte eben diese Wirkung auf Menschen.«
    Sie sichteten Maires Dinge – Jeans und Blusen, ein oder zwei Röcke für die Kirche; flache Schuhe, ein einziges Paar aus den achtziger Jahren mit hohen Absätzen.
    Polly ging die Schubladen des hölzernen Schmuckkästchens auf dem Frisiertisch durch. »Das habe ich ihr zum zehnten Geburtstag geschenkt.« Sie hob ein Glücksarmband hoch. »Kaum zu glauben, dass sie es aufgehoben hat.«
    »Es gehört dir«, sagte Nora. »Nimm dir, was du möchtest.«
    »Die Dinge machen sie nicht wieder lebendig, aber vielleicht trage ich es zur Erinnerung an sie.« Sie legte es mit Noras Hilfe an und wischte sich eine Träne weg.
    Polly nahm ein weiteres Kästchen aus einer Schublade des Frisiertischs.
    »Das muss Maeve gehört haben«, mutmaßte Polly.
    Darin befand sich ein Zettel. »Für Nora« stand in Maires Schrift darauf. Sie hatte alles im Haus mit Etiketten versehen. Für Polly. Für Ella. Für Annie.
    »Sie wusste Bescheid, nicht?«, fragte Nora.
    »Scheint so.« Polly reichte Nora das Kästchen.
    Eine Halskette mit einer einzelnen Perle. »Ich glaube, die hat dein Vater Maeve zu ihrem ersten Hochzeitstag geschenkt«, erklärte Polly. »Zur Feier des Tages sind sie im Ort essen gegangen. Ich hab damals gekellnert.«
    Ein Malachitring. »Aus der Familie deines Großvaters«, erklärte Polly.
    Eine getrocknete Ansteckblume.
    »Von dem Tanz?«, fragte Nora.
    »Von einem Tanz.«
    Da hatte Nora eine Idee.
    Als Polly gegangen war, setzte Nora sich ins Wohnzimmer, die braun verfärbte Rose auf dem Schoß, von der Maggie glaubte, dass sie ihr zugestanden hätte. Staub hing in der Luft. Ein Spitzenvorhang vor einem Fenster, das aufs Wasser ging, bewegte sich sacht im Wind. Es war,

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