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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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Charakters gewesen, dieses unbezähmbaren Geistes. Sie konnte gar nicht anders, als jeden Mann in ihren Bann zu schlagen. Sie verhexe die Männer, behaupteten die Frauen im Ort, die gern ihr Geheimnis ergründet hätten.
    Alle drei besaßen die Lockenmähne der McGanns, die von Nora dunkel wie die von Maeve, die der Mädchen heller, möglicherweise wie die ihres Vaters. Sommersprossen auf der Nase. Dazu hohe Wangenknochen, die Augenlider ein wenig nach unten gezogen.
    »Tante Maire?« Nora nahm ihre Hände, ihre beiden Töchter neben sich, die sich kaum unterschieden von Maire und Maeve in jungen Jahren, nur dass Maeve größer und verwegener gewesen war. Wie Noras Ältere. Ihr Temperament erkannte man in ihren dunkel glühenden Augen. Sie wirkte unruhig, nervös, gezähmt nur durch den Willen ihrer Mutter. Doch auch die andere hatte mit ihrer Lebhaftigkeit und ihrem Charme etwas von Maeve.
    Ihre Nichte und die Großnichten musterten sie mit einer Mischung aus erwartungsvoller Neugierde und Unsicherheit. Maire hatte sie gerufen, etwas in Gang gesetzt, die Wunde aufgerissen. Sie hatte sich diesen Augenblick so lange vorgestellt, aber jetzt, da er gekommen war, wusste sie nicht so recht, was sie tun oder sagen sollte.
    »Nora.« Sie breitete die Arme aus und zog das Mädchen – nein, die Frau – zu sich heran.
    Nora erwiderte Maires Umarmung, bevor sie ihre Töchter vorstellte. Dabei wanderte ihr Blick über den Raum. Erinnerte sie sich daran, hier gewesen zu sein? Erinnerte sie sich, wie sie in Maeves altem Zimmer geschlafen hatte, wenn ihre Eltern eine Nacht für sich allein brauchten? Daran, wie erschüttert ihr Vater gewesen war nach dem Verschwinden seiner Frau?
    »Kommt rein an den Kamin«, forderte Maire sie auf. »Ich hab Muffins und Tee gemacht und wollte sie euch vor die Tür des Cottage stellen, aber ihr seid mir zuvorgekommen.«
    Komm rein an den Kamin. Die gleichen Worte wie damals, als sie Nora als Kind barfuß und zitternd am Strand aufgefunden hatte. Erinnerte sie sich noch? Wie Maeve ins Meer getaucht war, die entlegensten Winkel der Insel erforschte, wie Patrick mit dem Boot oder dem Wagen nach ihr gesucht hatte, sie ihm immer ein paar Schritte voraus gewesen war. Wie verwundert und dann verärgert er gewesen war und wie er sich am Ende beraubt gefühlt hatte, ähnlich wie Maire, nachdem er mit Nora gegangen war.
    »Ich kann’s noch gar nicht glauben, dass wir hier sind«, sagte Nora, als ihre Töchter sich über die Muffins hermachten. Sie sah sich im Wohnzimmer um, betrachtete die Bilder ihrer Vorfahren auf dem Kaminsims, die Krüge mit Meerglas, die Muscheln und Steine in einer Schale, der Deckel ein Spiralmosaik aus glatten Kieseln vom Strand.
    »Es ist lange her«, pflichtete Maire ihr bei und strich eine Falte ihrer frisch gebügelten, bis zu den Ellbogen hochgekrempelten Baumwollbluse glatt. Der Aufschlag ihrer Jeans reichte bis zu den Knöcheln, und die Schuhe hatte sie mit Bindfaden geschnürt, weil das die einfachste Lösung war, wenn die Schnürsenkel rissen.
    »Ich dachte, du wärst nicht mehr da. Keiner wäre mehr da.« In Noras Augen schimmerten Tränen, die sie mit einem entschuldigenden Lächeln wegblinzelte.
    »Außer mir ist tatsächlich keiner mehr da.«
    »Mein Vater hat gesagt …«
    »Ich weiß. Ich habe geschrieben, aber er …«
    »Ja.«
    Der halb vollendete Gedanke, die Art und Weise, wie die Frauen die Lücken füllten, das Ungesagte erahnten, barg Gefahren.
    »Wahrscheinlich kommt dir alles sehr verändert vor«, sagte Maire. »Das Cottage war damals noch besser in Schuss. Dein Vater hat Wochen damit verbracht, es herzurichten, und die Schränke selbst geschreinert. Keine Ahnung, ob sie noch zu retten sind. Ich wollte sie von einem Tischler anschauen lassen.«
    Nora faltete die Hände im Schoß. »In meiner Erinnerung geht alles kunterbunt durcheinander.«
    »Ich wollte das Cottage auf Vordermann bringen lassen«, meinte Maire, »aber ich wusste nicht, ob ihr wirklich kommt.«
    »Tut mir leid, dass ich nicht früher Bescheid gesagt habe. Das war gedankenlos von mir.«
    »Nein, ich wollte nicht …«, beeilte Maire sich, ihr zu versichern.
    »Es war so viel los.« Wieder dieses wehmütige Lächeln.
    »Verstehe«, sagte Maire. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, Fragen über das zu stellen, was sich in Boston ereignet hatte. Sie kannte ihre Nichte nicht gut genug, und außerdem waren die Kinder da, die bestimmt schon mehr mitbekommen hatten, als sie sollten. »Du musst

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