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Das Mädchen in den Wellen

Das Mädchen in den Wellen

Titel: Das Mädchen in den Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri
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zu übersehen.«
    »Begreifst du denn nicht? Es wartet auf uns.« Sie schob die Zweige und Netzstücke weg, die ihren Fund halb verbargen, ohne auf die Kratzer zu achten, die sie sich dabei zuzog.
    »Das wage ich zu bezweifeln. Liegt wohl schon eine ganze Weile dort. Der Bug ist voll mit Muscheln und kleinen Krebsen.«
    »Die sind nicht schlimm, gibt’s auch auf Walen. Ich werde sie auch haben, wenn wir lange genug hierbleiben. Wie die Meermenschen.«
    »Hörst du bitte endlich auf, von den Meermenschen zu reden? Die existieren nicht.«
    »Das glaubst du.« Annie kletterte in das Boot, das leicht ins Wanken geriet, als sie sich setzte. »Siehst du? Ich gehe auf große Fahrt. Ich bin der Kapitän.« Sie reckte das Kinn vor. »Du musst mir salutieren.«
    Ella setzte sich ihr gegenüber. »Du kannst nicht der Kapitän sein. Du bist zu jung. Kapitäne müssen mindestens zwölf Jahre alt sein.«
    »Wer sagt das?«
    »Paragraph drei des Seefahrerkodex. Den kennt jedes Kind.« Ella überlegte. »Du könntest den Schiffsjungen machen.«
    »Ich will Kapitän sein. Außerdem bin ich ein Mädchen.«
    »Selbst wenn wir uns darauf einigen, uns nicht an die Seefahrerregeln zu halten – und damit würden wir zu Verrätern –, kann es keine zwei Kapitäne geben. Du wirst Erster Maat.«
    »Na schön«, brummte Annie. »Und wo segeln wir hin?«
    »Ans Ende der Welt.« Ella senkte die Stimme. Sie freute sich, wenn sie ihrer kleinen Schwester einen Schrecken einjagen konnte, wie damals, als sie sich mit einer Halloweenmaske im dunklen Zimmer versteckt hatte.
    »Wir sollten nach Little Burke fahren.« Annie deutete zu der Insel hinüber. »Das könnte unser großes Abenteuer werden.«
    »Du hältst dich immer noch für Kolumbus, was?«
    »Für dich Sir Kolumbus.«
    Ella lachte.
    »Was ist so lustig?«
    »Du als Sir Irgendwas.« Ellas Blick wanderte übers Wasser. Es erschien ihr ruhig genug für die Überfahrt. »Ein Problem gibt’s allerdings mit deinem Einfall: Wir haben keine Ruder.«
    Aus der Ferne hörten sie Noras Stimme. »Kommt rein, Mädchen«, rief sie. »Wir fahren in die Stadt.«
    »Na toll.« Ella stieg aus dem Boot und wischte sich den Sand vom Hosenboden.
    »Habt ihr nicht gehört? Wir wollen Farbe kaufen für euer Zimmer.«
    »Super. Die Dämpfe stinken und sind giftig.«
    »Du bist hier diejenige, die die Leute mit giftigen Dämpfen vollstinkt.«
    »Ha, ha. Und du bist so lustig, dass mir das Lachen vergeht.«
    »Wir holen Farbe für das Boot«, sagte Annie und ging mit ihrer Schwester los. »Es hat keinen Namen. Wir können es nennen, wie wir wollen.«
    »Die Ella .«
    »Nein, wir nennen es nicht nach dir. Schließlich hab’s ich gefunden.«
    Die Endeavor .
    Die Leaky Kon Tiki .
    Die Meerjungfrau .
    Während sie weitere Namen diskutierten, hatte Ella das Gefühl, dass jemand sie hinter den Felsen hervor beobachtete.

DREI
    D as ist der Hauptort Portakinney. Auf dem Herweg müsstet ihr eigentlich hier durchgekommen sein«, erklärte Maire, als sie in ihrem braunen Truck, an dessen Rückspiegel ein Rosenkranz baumelte, in die kleine Stadt mit den Steinhäusern und schindelgedeckten Gebäuden fuhr, die den Elementen trotzten. Netze hingen, mit bunten Schwimmern versehen, zum Trocknen über Zäunen, Reusen und Gummistiefel standen auf den Stufen vor den Türen.
    »Putzig hier«, bemerkte Ella, die Knobelbecher – neben ihren hohen schwarzen Converse-Sneakers ihre Lieblingsfußbekleidung – trug und in Streitlaune war. Nora mischte sich in Kleiderfragen nicht ein, sondern freute sich sogar insgeheim darüber, dass Ella sich gegen die Vorschriften von St. Ignatius (St. Iggie’s, wie sie die Schule nannten) wehrte, wo die Mädchen die erste beziehungsweise sechste Klasse abgeschlossen hatten.
    Für Ella waren es schwierige Wochen gewesen. Sie hatte sich von ihren Freundinnen zurückgezogen, sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und mit ihrem iPod von der Außenwelt abgeschottet. (Auch hier auf der Insel war das Ding stets griffbereit.) Auf Annie hatte sich der Skandal nicht ganz so schlimm ausgewirkt. In jüngeren Jahren war die Aufmerksamkeitsspanne kürzer, und außerdem besaß Annie sowieso ein sonniges Gemüt. Leider hatten sich einige von Ellas Freundinnen distanziert, sei es nun aus Zickigkeit oder weil die Eltern es ihnen vormachten. Und Ellas analytisches, zurückhaltendes Wesen machte die Situation nicht gerade einfacher.
    »Das sagen manche der Kids hier auch«, erklärte Maire. »Teenager wollen die Welt

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