Das Maedchen mit dem Flammenherz
wurde ihm schwarz vor Augen.
SIEBEN
F inley fing Griffin auf und legte ihn behutsam auf den Teppich. »Verzeih mir«, flüsterte sie. Er war längst bewusstlos und hörte es nicht.
Sie sprang auf, raffte das Kleid und schoss hinaus. Dabei prallte sie mit der Schulter gegen ein hübsches, aber hochnäsig aussehendes Mädchen, das eine schnippische Bemerkung machte. Finley war es egal, was dieses aufgedonnerte Ding von ihr hielt. Hauptsache, Griffin dachte an sie, sobald er wieder aufwachte.
Am allerwichtigsten war ihr in diesem Moment, aus dem verdammten Haus zu entkommen, ehe jemand die Polizei rief. Manchmal – meistens sogar – hatte sie gegen ein ordentli ches Handgemenge nichts einzuwenden, aber sie wollte nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als unbedingt nötig. Außerdem würde man über Griffin lachen, weil ihn ein Mädchen niedergeschlagen hatte. Je weniger Menschen davon erfuhren, desto besser.
Sie hatte es nur getan, damit er ihr nicht half und dabei selbst in Schwierigkeiten geriet. In London hatte sie ihm eine Menge Ärger bereitet, und sie verspürte keinerlei Bedürfnis, dies hier zu wiederholen.
Glücklicherweise übertönte die laute Musik ihre eiligen Schritte. Dennoch drehten sich ein paar Gäste erstaunt nach ihr um, als sie mit gerafftem Kleid vorbeilief.
An der Treppe angelangt sprang sie und landete unten in einer Wolke aus Unterrock und Seidenkleid in der Hocke. Der Aufprall fuhr ihr durch alle Knochen. Sofort richtete sie sich wieder auf und rannte zur Tür. Hinter ihr wurden ärgerliche Stimmen laut, und jemand rief: »Haltet sie auf!«
Der arme Diener wollte gehorchen, doch sie stieß ihn zur Seite. Der Automat neben ihm war nicht darauf programmiert, für die Sicherheit der Gäste zu sorgen, und reagierte überhaupt nicht.
Sie rannte die Treppe hinunter in die Nacht. Eine Dampfdroschke fuhr vorbei, sie lief darauf zu, sprang mühelos hinten auf und hielt sich an der Stange fest. Sie konnte nicht widerstehen, sich über die Schulter zu der kleinen Menge umzusehen, die aus dem Haus gestürmt und ihr die Treppe hinunter bis auf die Straße gefolgt war. Ein großer Mann schüttelte drohend die Faust.
Begeistert über ihre Flucht warf Finley ihm eine Kusshand zu.
Sie fuhr mit der Kutsche so weit sie konnte die 5th Avenue hinunter und sprang schließlich ab. Bei einem Straßenhändler an der Ecke 42nd Street erstand sie eine Fleischpastete und gab das Geld, das sie eigentlich für die Rückfahrt gebraucht hätte, einer Bettlerin mit einem Kind, das anstelle eines Beins eine fleckige Messingprothese hatte. Die Frau umarmte sie, und Finley würgte beinahe, als der Geruch der armen Seele sie überfiel. Sie sorgte dafür, dass die Mutter für sich selbst und den Knaben ebenfalls ein Stück Pastete kaufte, ehe sie weiterging.
Es war ein schöner Abend, und der Spaziergang beruhigte ihre erregten Sinne. Sie lief den ganzen Weg bis zu Daltons Haus mit federndem Schritt und vollem Bauch.
Ganz sicher war sie nicht, aber eine Sekunde lang glaubte sie, auf der Straße vor sich einen Mann zu erkennen, der einen langen Mantel und einen Cowboyhut trug. Schon wieder Whip Kirby? Wer es auch war, er war im Nu wieder verschwunden, und Finley fragte sich, ob sie es sich vielleicht nur eingebildet hatte. Jedenfalls hatte es Spaß gemacht, sich bei der Party einzuschleichen und die Dokumente zu stehlen. Griffin einen Kinnhaken zu verpassen war nicht ganz so schön gewesen, aber wenigstens hatte sie vorher noch Gelegenheit gehabt, ihm zu sagen, worauf Dalton es abgesehen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass ihm der nun fällige Spott nicht zu sehr zusetzte. Aber davon abgesehen … nun ja, sie musste sich jetzt auf andere Dinge konzentrieren.
Immerhin, Dalton war nun sicher davon überzeugt, dass sie eine wertvolle Ergänzung für seine Bande darstellte.
So schlenderte sie selbstgefällig lächelnd und mit wippenden Kleidersäumen in Daltons Salon hinein. Dalton, Jasper und Mei waren schon dort. Mei trug inzwischen eine schlichte Bluse und einen Rock, hatte aber immer noch den seltsamen Kragen am Hals. Bei näherer Betrachtung glaubte Finley, Zahnräder und Getriebe in dem Ding zu entdecken, als sei es eine Maschine und kein richtiges Schmuckstück. Vielleicht traf das sogar zu. Eine Sekunde lang hatte sie den makabren Gedanken, der Kragen sei möglicherweise das Einzige, was den Kopf des Mädchens auf dem Hals hielt.
Sie hatte beobachtet, wie gewisse Leute im Namen der Wissenschaft recht unangenehme
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