Das Maedchen mit dem Flammenherz
das Militär sehr nützlich sein. Griffin musste jedoch vor allem daran denken, wie viel Schaden ein Unhold wie Leonardo Garibaldi – der Maschinist – mit solchen Dingen anrichten konnte. Der Mann hatte auch so schon genug angestellt und hätte um ein Haar sogar das ganze britische Empire übernommen.
Als sie über theoretische Anwendungen der »kosmischen Strahlung« debattierten und die mathematischen Berech nungen zitierten, die notwendig waren, um die Resonanzfrequenz der Erde selbst zu ermitteln, verlor Griffin endgültig den Faden.
»So habe ich mich neulich auch gefühlt«, erklärte Sam. Der Hüne saß neben Griffin auf einem Stuhl und langweilte sich ebenfalls. »Du konntest wenigstens teilweise folgen. Ich verstehe kein einziges verdammtes Wort. Es wird sicher interessanter, wenn er ein paar seiner Erfindungen vorführt.«
Griffins Antwort bestand in einem müden Lächeln. Nicht dass er nicht von Mr. Tesla beeindruckt gewesen wäre – so empfand wohl jeder, der dem Erfinder begegnete. Aber er sorgte sich um Jasper und Finley und fragte sich, wie es ihnen in Daltons Gesellschaft erging. Der Schuft hatte Finley bereits dazu gebracht, Verbrechen gegen die höheren Gesellschaftsschichten zu begehen. Was kam als Nächstes? Auch wenn die beiden Hälften in ihr miteinander verschmolzen, sie war immer noch für die Impulse ihrer dunklen Seite anfällig. Wenn es ihr nun gefiel, zu Daltons Bande zu gehören?
Wenn sie nun lieber eine Verbrecherlaufbahn einschlagen wollte, statt weiter bei Griffin zu leben?
Statt seinen Freunden zu helfen – was im Moment völlig unmöglich schien –, war Griffin gezwungen, den Adligen zu spielen und Wissenschaftler aufzusuchen, denen er als Mäzen unter die Arme greifen sollte. Natürlich gab es noch einen weiteren Grund, Tesla zu treffen. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Dalton bei seiner Maschine die Hilfe eines Genies brauchte oder dass Tesla wenigstens von solchen Anfragen hörte, falls jemand sie stellte. Mehr konnte Griffin in diesem Augenblick offenbar nicht tun.
Er kam sich vor wie ein hilfloser Idiot, und das war kein Gefühl, das er gut ertragen konnte.
Schließlich stand er auf und sah sich ein wenig um. Nur mit halbem Ohr hörte er zu, wie Emily und der Serbe über die Möglichkeit sprachen, auf der ganzen Erdkugel in regelmäßigen Abständen Äthertürme aufzustellen, um bei Sendungen auf Drähte und Kabel verzichten zu können. Mit ihrer Hilfe könnten auch die Taschentelegrafen viel größere Entfernungen überbrücken als im Moment. Griffin hätte eigentlich genau zuhören sollen, doch er konnte sich nicht recht dazu überwinden.
Gleich darauf tauchte Sam an seiner Seite auf. »Es ist nett von dir, mich allein leiden zu lassen«, zischelte er in Griffins Ohr.
Griffin betrachtete unterdessen eine Reihe mechanischer Geräte, die auf einer Werkbank lagen. Tesla besaß wirklich eine erstaunliche Intelligenz. Die meisten Erfindungen waren neu oder Rekonstruktionen der Gegenstände, die 1895 bei einem Feuer in seinem alten Labor in der 5th Avenue zerstört worden waren. Es war schmerzlich, alle Forschungsergebnisse und Arbeiten zu verlieren. Deshalb hatte er Emily gedrängt, ihre Pläne und Zeichnungen in ihrem Labor, das unter dem Londoner Herrensitz eingerichtet war, in einem feuersicheren Schrank unterzubringen. Dort bewahrte sie auch alle ihre Prototypen auf. Dadurch waren die wertvollen Stücke nicht nur vor Feuer, sondern auch vor Dieben sicher. Zusätzlich gab es natürlich noch eine ganze Reihe weiterer Vorkehrungen.
Schließlich fiel sein Blick auf ein seltsames Gerät, das an einen Kandelaber mit gläsernen Spiralen anstelle der Kerzen erinnerte. Griffin runzelte die Stirn. Eine der Spulen führte zu einer primitiven Automatenhand, die einen Stift in den dünnen Messingfingern hielt. Die Spitze schwebte über einem Papierstapel.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Griffin, wie Sam seine eigene Hand anspannte – diejenige, deren Knochen mit Metall verstärkt waren. Ob sein Freund jemals die Tatsache akzeptieren würde, dass er zum Teil eine Maschine war?
Über diese Frage wollte Griffin allerdings nicht weiter nachdenken. Er wandte sich wieder dem Mechanismus zu, der ihn irgendwie zu rufen schien. Langsam streckte er die Hand aus.
Er berührte das kühle Metall, und dann spürte er den Äther. Die Wärme strömte sanft durch seine Hand und kribbelte in den Adern, als die Energie auf ihn überging. Die gläsernen Röhren des Geräts begannen zu
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