Das Maedchen mit dem Stahlkorsett
sich so fürsorglich und vertrauensvoll gezeigt hatte. Dabei hätte sie sich nicht einmal besonders anstrengen müssen. In diesem Moment hätte sie ihn mühelos schwer verletzen können.
Andererseits konnte Griffin King auch ihr wehtun, und doch hatte er es nicht getan. Statt Kraft und Gewalt gegen sie einzusetzen, war er ihr geduldig und verständnisvoll begegnet. Dagegen hatte sie keine Verteidigung.
Als er sie losließ, zitterte sie. Tränen quollen ihr in die Augen, als sie sich an ihre Mutter wandte, die entsetzt zugeschaut hatte.
»Mein liebes kleines Mädchen«, flüsterte ihre Mutter. »Ich wusste es doch nicht, ich habe es nicht gewusst …« Ihre Worte gingen in einem erstickten Schluchzen unter.
Auf wackligen Beinen ging Finley zu ihr und nahm die kleinere Frau in die Arme. Es war ihr egal, ob Griffin oder seine gemeine Tante ihre Tränen sahen. Wenn es überhaupt etwas gab, über das man weinen durfte, dann war es die Erkenntnis, dass der eigene Vater einen in ein Ungeheuer verwandelt hatte.
Sieben
SIEBEN
D u solltest dich bei Finley entschuldi gen.« Griffin und Cordelia waren allein, nachdem sie Finley zum Ausruhen auf ihr Zimmer geschickt hatten. Das arme Mädchen brauchte dringend Ruhe und Zeit, um all das zu verarbeiten, was es kurz zuvor erfahren hatte.
Cordelia warf ihm einen scharfen Blick zu. »Dafür, dass sie mich umbringen wollte? Wohl kaum.«
»Dafür, dass du dachtest, sie hätte in Bezug auf ihren Vater gelogen«, gab Griff zurück und schloss die Tür des Arbeitszimmers. »Sie hatte keine Ahnung, was der Mann getan hat.«
Sie nahm den Klumpen Organellenerz, den er als Briefbeschwerer benutzte, als interessierte er sie sehr. »Das behauptet sie jedenfalls.«
»Cordelia, nicht einmal du bist als Schauspielerin gut genug, um eine solche Vorstellung hinzulegen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Finley Jayne ist hier vor allem ein Opfer, nicht unsere Feindin. Ich fühle mich verpflichtet, ihr zu helfen.«
»Für etwas, das vor deiner Geburt passiert ist? Was für ein Unfug.«
»Warum nicht? Du hast ihr doch auf der gleichen Grundlage Vorwürfe gemacht.«
Seine Tante schürzte die Lippen, und Griffin wusste, dass sie nicht widersprechen konnte. »Mein Vater und Finleys Vater haben einen Fehler gemacht, und jetzt muss Finley dafür büßen. Meiner Ansicht nach hat sie es verdient, dass wir ihr beistehen – oder wie siehst du das?«
Etwas mürrisch zuckte Cordelia mit den Achseln. In solchen Momenten erinnerte sich Griffin, dass sie nicht einmal zehn Jahre älter war als er.
Seufzend drückte Griffin auf einen Knopf des Kästchens, das auf seinem Schreibtisch stand. »Ich trinke jetzt einen Kaffee und lese mir dabei Vaters Aufzeichnungen zu Thomas Sheppard durch. Danach werde ich mich mit Finley zusammensetzen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie sie sich fühlt, da sie nun weiß, dass ihr Vater für Jekyll und Hyde als Vorlage gedient hat.« Diese Information war ebenfalls am Nachmittag ans Licht gekommen – und natürlich war es Cordelia gewesen, die sie beigesteuert hatte.
Seine Tante legte den Erzklumpen wieder auf den Schreibtisch. »Sheppard war zu sorglos. Es gab Gerede. Natürlich hat sich Stevenson dafür interessiert. Finley wird den gleichen Weg beschreiten, wenn sie nicht aufpasst, und das tut sie nicht. Sie könnte unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns alle lenken.« Damit meinte sie vor allem Griffin.
Er schüttelte den Kopf. »Gibt dir dies das Recht, gemein zu ihr zu sein?«
Seine Tante starrte ihn an, als könnte sie gar nicht glauben, dass er ihr diese Frage gestellt hatte. »Sie hat mich aus ihrem Kopf gedrängt. Nicht nur einmal, sondern dreimal. Weißt du, wie viele Menschen fähig sind, so etwas zu tun? Niemand kann das! Ob du es einsehen willst oder nicht, dieses Mädchen ist gefährlich. Aber du behandelst sie wie einen Ehrengast.«
»Sie ist tatsächlich ein Gast in diesem Haus.«
»Bis sie jemandem das Genick bricht. Was, wenn sie Emily angreift?«
»Das wird sie nicht tun.« Wenn er sich nur hätte selbst glauben können.
»Das kannst du nicht wissen. Mrs. Dodsworth hat mir erzählt, dass sie den Diener wie eine Puppe durch die Luft geworfen hat. Du bringst alle in diesem Haus in Gefahr, wenn du Finley hier wohnen lässt. Das kann ich nicht zulassen.«
Griff fuhr auf. Er erwiderte den Blick seiner Tante und bemühte sich, seine Wut zu zügeln. »Du hast hier nichts zu sagen. Es ist mein Haus.«
Cordelia funkelte ihn an und stemmte
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