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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Majestät nannte mich Vater und bat mich sogar, in den Louvre zu ziehen, aber ich habe höflich abgelehnt. Das hieße dann vielleicht doch, sich zu tief in die Höhle des Löwen zu begeben«, berichtete Coligny mit einem schwachen Lächeln, nachdem die königliche Hofgesellschaft sich mit ihrer Eskorte wieder auf den Rückweg zum Palast begeben hatte. Es ging dem Admiral besser. Paré hatte ihm das Medikament gegeben, und seine Schmerzen hatten nachgelassen. Die Worte des Königs hatten ihn etwas beruhigt.
    Während sich die Anführer der Hugenotten an Colignys Bett zu einer Beratung der Lage zurückzogen, spürte Madeleine, wie sie trotz des Besuchs des Königs eine wachsende Unruhe ergriff. Unentwegt hatte sie ein Bild ihrer Vision vor Augen, das kurz vor ihr aufgeblitzt war. Ein schwarzer, im Wind wehender Umhang! Die Aufschläge waren mit dunkelblauem Samt eingefasst gewesen. Sie war sich sicher, diesen Umhang schon einmal in Wirklichkeit gesehen zu haben. Aber wo und vor allem an wem? Während sie grübelnd darüber nachdachte, trafen im Palais mehr und mehr bestürzte Menschen ein, die dem Verletzten ihre Aufwartung machten.
    »In der Stadt ist der Teufel los«, berichtete der englische Botschafter Walsingham, der im engen Kontakt mit den französischen Hugenotten stand. Madeleine und er hatten sich auf einem der Feste während der Hochzeitsfeierlichkeiten kennengelernt. »Die Straßen wimmeln nur so von Protestanten, die sogar von ihren Quartieren von den Faubourgs gekommen sind, um zu hören, was mit dem Admiral ist. Die Katholiken sind in heller Aufregung, dass es einen Racheakt geben könnte! Manche Besitzer schließen deshalb sogar schon ihre Läden!«
    Madeleine dachte an die angespannte Atmosphäre, die sie selbst auf dem Weg zur Apotheke wahrgenommen hatte. Unruhig wandte sie sich ab. Angesichts von Colignys Zustand war ihre Abreise erst einmal verschoben. Nicolas besprach sich zurzeit noch immer mit den anderen Anführern.
    Sie beschloss, noch einmal zum Louvre zu gehen. Vielleicht konnte sie dort Rémi finden. Wenn es etwas Neues zu berichten gab, wusste er es. Der Zwerg war über die Ereignisse am Hof immer bestens informiert.
    Draußen bewahrheitete sich das Bild, das Walsingham beschrie ben hatte. Scharen aufgebrachter Protestanten waren zu sehen, die überall in Gruppen zusammenstanden.
    Im Louvre waren die Wachen verstärkt worden – nicht nur im Hof, sondern auch in den Fluren. Madeleine begab sich zum Seitentrakt. Sie fand Rémi in seinem Gemach. Fôlle war gerade bei ihm.
    »Ihre Majestäten sind alle im Rat!«, erklärte er, wusste aber auch nur das Bekannte zu berichten. »Der König ist wütend auf die Guise. Er glaubt, dass sie den Anschlag verübt haben – und alle haben jetzt Angst vor den zornigen Protestanten. Man befürchtet, sie könnten sich rächen!«, meinte er lapidar.
    Fôlle kicherte. »Die bösen Ketzer, die alle auf einmal in der Stadt sind! Huh, gestern noch auf dem Scheiterhaufen und heute im Brautbett, da muss man sich schon fürchten.«
    Rémi grinste. Doch dann bemerkte er Madeleines besorgten Gesichtsausdruck. »Komm morgen wieder. Ich höre mich ein bisschen um!« Sie dankte ihm.
    Es war dunkel geworden, als sie sich auf den Rückweg zum Palais begab. Obwohl noch immer viele Menschen auf den Straßen waren, hatte sich die Stimmung etwas entspannt. Solange der König die Tat der Guise verurteilte, gab es keinen Grund, beunruhigt zu sein, sagte Madeleine sich. Doch in ihrem Kopf hörte sie immer wieder das Geräusch eines im Wind flatternden Umhangs. Sie sah die mit dunkelblauem Samt gefassten Aufschläge vor sich. Warum nur wollte ihr dieses Bild nicht aus dem Kopf gehen?
    »Wo um Gottes willen warst du?«, fragte Nicolas leise und besorgt, als sie in die Halle trat, in der noch immer einige der Edelleute der Hugenotten zusammenstanden.
    »Im Louvre bei Rémi. Ich wollte erfahren, ob es Neuigkeiten vom König oder der Medici gibt.«
    Er zog sie mit sich, und sie begaben sich nach oben aufs Dach, zu einer Terrasse, auf der sie ungestört sprechen konnten. Sie erzählte ihm von der Angst, die man vor den Protestanten hatte.
    »Ich weiß«, erwiderte Nicolas ernst. »Wir haben bereits mehrere Männer zu den Leuten auf die Straße geschickt, um sie zu beruhigen.«
    »Wie geht es Coligny?«
    »Er ist müde und erschöpft und hat sich mit seinem Pfarrer zurückgezogen, um zu beten.«
    Sie drehte sich zu ihm. »Ich habe Angst, Nicolas!«
    »Ich fürchte, das haben wir alle

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