Das Maedchen mit den Schmetterlingen
zunehmend auf die Nerven. Der Wunsch, dahin zurückzukehren, wo er sich inzwischen zu Hause fühlte, wurde immer stärker.
In Árd Glen saß Deirdre O’Connell bei Kate in der Küche. Sie war erleichtert, dass Kate sich langsam erholte, und auch die leichte Wölbung an ihrem erschreckend dürren Körper war ihr nicht entgangen. Kate hatte bisher kein einziges Wort über die Schwangerschaft verloren, doch Deirdre hielt ihre Freundschaft inzwischen für so stabil, dass sie Kate Fragen stellen konnte, die sie in ihrer Funktion als Gemeindeschwester normalerweise für sich behalten hätte. Sie trank ihren Tee aus, stellte die Tasse auf den Tisch, und holte einmal tief Luft.
»Hast du schon mal an das Baby gedacht, Kate? Ich meine, hast du daran gedacht, mit Dermot zu reden?«
Kates grimmiger Blick zeigte ihr, dass sie es falsch angepackt hatte.
»Kate, ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber ich mache mir Sorgen, wie du alleine zurechtkommen willst. Willst du Dermot wirklich nicht sagen, dass du schwanger bist?«
Kate schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht, Deirdre. Meine Mutter hat geheiratet, weil sie schwanger war und hat damit ihr Leben verpfuscht. Ich will nicht, dass er sich verpflichtet fühlt, mich zu heiraten. Wenn er aus freien Stücken wiederkommt und zwischen uns alles in Ordnung ist, sag ich’s ihm.«
»Willst du ihn denn nicht wenigstens anrufen, ihm sagen, dass er dir fehlt?«
»Nein. Das muss von ihm ausgehen. Ich könnte es einfach nicht ertragen, wenn er aus Mitleid zurückkommen würde, Deirdre.«
»Wie stellst du dir das mit dem Geld vor?«
»Ich habe darüber nachgedacht. Wir können den Hof nicht halten. Die Arbeit ist für Tess und mich einfach zu viel, mit dem Baby sowieso. Ich weiß auch gar nicht genau, wie man einen Hof bewirtschaftet. Seán wurde das alles beigebracht, aber ich musste vor allem meiner Mutter im Haushalt helfen. Ein bisschen kenne ich mich aus, aber das reicht nicht. Tess hat am Dienstag eine Untersuchung in der Klinik in Dublin, und ich habe am gleichen Tag einen Termin mit dem Rechtsanwalt meines Vaters in Dublin vereinbart, um mir eine Kopie der Besitzurkunden zu besorgen.«
»Hat Seán denn ein Testament gemacht?«, erkundigte sich Deirdre vorsichtig. Sie wusste, dass Kate jede Erwähnung ihres großen Bruders in Anspannung versetzte.
»Nein, aber das war auch nicht notwendig. Der Hof gehört ja Tess.«
»Tess?« Erstaunt zog Deirdre die Augenbrauen hoch.
»Das ist eine lange Geschichte«, winkte Kate ab und senkte den Kopf.
Deirdre kannte ihre Grenzen und wechselte das Thema. »Kate, ich wollte schon länger etwas mit dir besprechen. Ich wollte nur warten, bis es dir wieder besser geht. Du erinnerst dich, dass ich Tess’ Bilder dem Geschäftsführer des Marshall’s Art and Craft Centre gezeigt habe?«
Kate nickte desinteressiert. Tess’ merkwürdige Weltsicht, die sich in ihren Bildern niederschlug, war ihr nichts Neues.
»Er hat gesagt, dass sie etwas wert sind, dass man sie verkaufen könnte. Er hatte Interesse an einem Ankauf. Vielleicht lohnt es sich, darüber nachzudenken.«
Kate horchte verblüfft auf. Kein Zweifel, Tess konnte gut malen, aber waren die Bilder nicht ein bisschen düster?
»Er glaubt, dass die beiden Raupen - oder was immer das sein soll - Menschen sind, die Tess kennt.«
Kate starrte sie an. Dann stand sie auf und kam mit dem alptraumhaften Gemälde vom See in der Hand wieder. Sie legte es auf den Tisch, setzte sich und musterte die beiden rothaarigen Insekten in der Mitte des Bildes. Sie lehnte sich überrascht zurück. »Ich glaube, das da soll Seán sein! Das ist mir bisher noch nie aufgefallen! Aber warum hat sie ihn so gemalt? Sieht aus wie ein Schmetterling, der sich wieder in eine Raupe verwandelt. Siehst du, wie die Flügel verkümmern? Gott weiß, was in Tess’ Kopf so vorgeht. Seltsam …«
»Wer ist der andere Rothaarige? Er hat einen abgebrochenen Zahn, siehst du, da?«
Kate fiel beim besten Willen niemand ein, der rote Haare hatte. »Ich weiß nicht«, sagte sie ratlos und schüttelte den Kopf.
Kate und Deirdre betrachteten das Bild noch eine Weile, ohne sich einen Reim darauf machen zu können.
»Na, ich muss los. Ich bin heute Abend verabredet«, sagte Deirdre schließlich.
»Das klingt aber nicht sonderlich begeistert«, gab Kate zurück.
»Nun, du weißt ja, wie das bei mir so läuft. Normalerweise endet es in einer Katastrophe!« Deirdre lachte. »Weißt du noch, letztes Mal? Der hat
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