Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Deirdre hatte trotzdem das Gefühl, dass Kate auf dem Wege der Besserung war, weniger aufgrund der Schwangerschaft, die sie nur selten erwähnte, sondern eher, weil Deirdre gedroht hatte, Tess vorübergehend in einem Heim unterbringen zu müssen, bis Kate wieder auf dem Damm war. Und das war etwas, was Kate unbedingt vermeiden wollte. Tess hatte wirklich schon genug durchgemacht, und Kate versprach, die Medikamente regelmäßig einzunehmen.
Kates Gesundheitszustand besserte sich in den nächsten Wochen zusehends, sie hatte sogar schon wieder ein wenig Farbe im Gesicht. Ihr Onkel, der wusste, dass sie keine Transportmöglichkeit mehr hatte, hatte ihr sein altes Auto hergerichtet und überlassen. Kate hatte sich bedankt und sich, wenn
auch widerwillig, für ihr abweisendes Verhalten bei seinen Besuchen in der Trauerzeit entschuldigt. Trotzdem blieb die Atmosphäre zwischen ihnen angespannt, und Jimmy Kelly blieb nicht lange. Beim Abschied stand er unschlüssig in der Küchentür, die Mütze in der Hand, und murmelte, sie sei ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, bevor er hastig das Haus verließ. Als er am Küchenfenster vorbeiging, sah Kate, wie er sich mit einem alten, ölverschmierten Taschentuch ein paar Tränen aus den Augen wischte.
Kapitel 44
1981
D ermot Lynch saß in der Küche seiner Eltern und ließ seine völlig durchnässten Füße am Ofen trocknen. Die letzten Wochen hatte er pausenlos am Bett seines Vaters verbracht und war gerade zu Fuß nach Hause gelaufen, über die Wiesen und Felder, die er einmal hatte erben sollen. Dermots jüngerer Bruder führte jetzt den Hof, zusammen mit seinem Vater, aber auch er hatte größte Mühe, mit dem Alten zurechtzukommen. Nie könnte man es dem Vater recht machen, an allem hätte er etwas auszusetzen, hatte ihm sein Bruder anvertraut. Er hatte schon daran gedacht, nach New York zu gehen, wo ihre ältere Schwester ihm einen Job verschaffen könnte, aber da er wusste, dass der Alte mit dem Hof niemals allein fertig werden würde, war er geblieben.
Als der Regen nachließ, öffnete Dermot die Küchentür, die direkt auf den Hinterhof hinausführte, und sog die Luft ein. Er liebte den Duft feuchter Erde nach einem Regenguss. Irgendwie anders als in Wicklow. Hier regnete es sehr viel mehr, was die Arbeit in der Landwirtschaft nicht einfacher machte, aber sein Herz hing an dieser Gegend. Vielleicht, weil er hier aufgewachsen war. Außerdem ging es hier ein wenig gemächlicher zu, die Menschen in Árd Glen, das immerhin nur ein kleines Bauerndorf war, wirkten gehetzter, was Dermot schon bei seiner Ankunft aufgefallen war.
Immer, wenn er an Árd Glen dachte, wanderten seine Gedanken auch zu Kate. Wie mochte es ihr gehen? Seit ihrer letzten Begegnung war ihm klar, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, warum, blieb ihm ein Rätsel. Sie hatten weder Streit noch irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gehabt. Nach der Beerdigung hatte sie ihn einfach aus ihrem Leben getilgt, als wäre er tot. Er hatte nicht allzu viele Erfahrungen mit Frauen und gehörte eher zu den Schüchternen, aber er konnte nicht verstehen, was zwischen ihnen schiefgelaufen war. In den ersten Tagen zu Hause in Galway hatte Dermots Herz angefangen zu jagen, wenn das Telefon klingelte, in der Hoffnung, dass sie sich meldete, dass sie wissen wollte, wann er zurückkam, aber jedes Mal hatte der Anruf seinem Vater gegolten. Es war bitter, ihn in diesem Zustand zu sehen, wie er eingefallen in seinem Krankenhausbett lag, unfähig, etwas zu sagen. Früher hatte er vor Kraft gestrotzt, war in seiner Jugend täglich fünf Kilometer zur Schule marschiert, und jetzt würde er keinen Schritt mehr laufen können. Bei Dermots erstem Besuch im Krankenhaus, hatte sein Vater ihm die linke Hand entgegengestreckt, der rechte Arm war gelähmt, und hatte sich gefreut, dass sein Ältester wieder da war, wenn auch nur vorübergehend. Dermot hatte seiner Familie nichts von Kate erzählt. Er war sich ja nicht einmal sicher, ob es überhaupt etwas zu erzählen gab. Er wusste auch nicht, ob seine Tante aus Árd Glen, die Schwester seiner Mutter, bei einem ihrer Telefonate irgendetwas in dieser Hinsicht erwähnt hatte. Er hoffte nicht, persönliche Dinge behielt er lieber für sich.
Dermot vermisste auch Tess. Er überlegte, ob er sie anrufen sollte, hatte aber Angst, dass Kate ans Telefon ging und glauben könnte, dass er nicht kapieren wollte, was sie ihm bei ihrer letzten Begegnung so
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