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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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gestochen.
    »Meine Familie hat mich weggeschickt«, stellte Tess trocken fest, aber Dermot meinte, einen traurigen Unterton in ihrer Stimme zu hören.
    Er schwieg. Er wollte gar nicht wissen, was bei seinen Arbeitgebern los war, wollte sich nicht einmischen, und so wechselte er während der restlichen einstündigen Fahrt kein einziges Wort mehr mit Tess.

Kapitel 5
    1971
    D er Sommer war da und verwandelte Árd Glen in jenes pittoreske Postkartenidyll, das sich pensionierte Amerikaner als Reiseziel erträumen. Eine dreihundert Jahre alte Schlossruine beherrschte das Dorf. Sie hatte früher dem protestantischen Großgrundbesitzer gehört, der während der Zeit der englischen Besatzung Herr über die meisten Ländereien gewesen war. Die uralte, steinerne Kirche wurde immer noch benutzt, obwohl es darin bitterkalt war. Außerdem hatte das Dach Löcher und das Fundament gab nach, sodass die Männer im Ort ständig mit provisorischen Ausbesserungsarbeiten beschäftigt waren. Angesichts der geringen Einwohnerzahl besaß der Bau einer neuen Kirche beim Bischof nicht gerade oberste Priorität. Abgesehen von drei kleinen Geschäften, einem Postamt und drei Kneipen hatte Árd Glen seinen Besuchern nichts weiter zu bieten als seine wunderschöne Landschaft. Das Dorf lag anmutig zwischen großen blauen Bergketten und Seen, die Angler aus der ganzen Welt anlockten. Unterkunft fand man in einer der größeren Ortschaften von Wicklow County, da es in Árd Glen selbst kein Hotel gab. Im Sommer verbrachte man die Samstage träge am See, die Kinder plantschten im Wasser oder gingen mit improvisierten Fischernetzen - aus alten Strümpfen ihrer Mütter, die über Holzstücke gezogen und dann fest verschnürt wurden - auf die Jagd nach
kleinen Fischen, um erst zum Abendessen wieder zu Hause aufzutauchen, erschöpft und völlig ausgehungert. Den Abend verbrachten die Männer dann nach einer Woche harter Arbeit in ihrer Lieblingskneipe, die alten sprachen von vergangenen Zeiten, während die jungen großartige Zukunftspläne schmiedeten und von Auswanderung und einem neuen Leben in Amerika oder Australien träumten.
    Michael Byrne saß meistens mit dabei und hörte zu, beteiligte sich aber kaum am Gespräch. Er hatte keine Freunde und galt als Sonderling. Und wenn er doch einmal etwas von sich gab, dann war es meist ein völlig unpassender Kommentar, der ihm fassungslose Blicke aus der Runde einbrachte, bevor man sich wieder seinem Bier zuwandte. Michael wusste offenbar gar nicht, wie man sich mit anderen unterhielt. Und wenn ein Fremder den Pub betrat, starrte Michael ihn so lange an, bis er wieder aufstand und verschwand. Er war sich seiner Wirkung auf die Menschen in seiner Umgebung kaum bewusst. Er hatte noch nie das Gefühl gehabt, irgendwo dazuzugehören, und bekämpfte diese lebenslange Enttäuschung auf die übliche Art und Weise: ein Glas Bier, gefolgt von ein paar Schnäpsen, gefolgt von noch mehr Bier, bis ein Gefühl der Betäubung einsetzte, was ihm ohnehin das liebste Gefühl war. Aber er war sich durchaus bewusst, dass man ihn im Dorf verachtete. Alle wussten, dass er die missliche Lage der Kellys zu seinem Vorteil genutzt und Maura Kelly Hals über Kopf geheiratet hatte. Dadurch hatte er Jimmy Kellys Bauernhof geerbt, obwohl der noch am Leben war. Kaum jemand glaubte, dass er wirklich der Vater des Kleinen war. Manche gingen noch einen Schritt weiter und bezweifelten, dass er überhaupt eines der Kinder gezeugt hatte. Michael hatte zwar sein ganzes Leben in Árd Glen verbracht, aber niemand konnte sich erinnern, dass er jemals Interesse am schönen Geschlecht gezeigt hätte.

    An einem dieser Samstagabende saß Michael auf seinem Stammplatz in Mattie Slattery’s Bar. In der Ecke sah er seinen Schwager Jimmy leise auf seinen Sohn Liam einreden. Jimmy blickte auf, musterte seinen Schwager feindselig und wandte sich wieder ab. Michael verstand nicht, wie dieser Blick gemeint war - er wusste eigentlich nie so recht, was die Leute meinten, es sei denn, sie sprachen es deutlich aus -, aber immerhin wurde ihm dabei so ungemütlich, dass er sich einen anderen Platz suchte. Maura war erst seit neun Monaten tot, und ihm war zumindest klar, dass die Leute der Ansicht waren, er sollte daheim bei seinen Kindern bleiben. Seine Kinder! Bei dem Gedanken hätte er beinahe laut gelacht und richtete sich auf einen gemütlichen Abend mit Bier und Schnaps ein.
     
    Kate Byrne saß inzwischen allein zu Hause in der winzigen Küche ihres

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