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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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abgeholt, stimmt’s?«, sagte er.
    »Stimmt«, erwiderte Dermot. Er war immer noch relativ neu hier und wusste nicht, dass Kelly mit seinen Arbeitgebern verwandt war.
    »Hat sie irgendwas gesagt … ich meine … spricht sie überhaupt?«, bohrte er weiter.
    »Ja«, gab Dermot zurück. »Sie spricht.« Dann schnappte er sich die beiden leeren Gläser und drehte sich abrupt um. Anscheinend gab es im ganzen Dorf keinen einzigen Menschen, der sich freute, dass das arme Mädchen wieder zu Hause war.
    Als sie später den Pub schlossen und er mit Mattie aufräumte, erzählte ihm der Wirt die ganze Geschichte: dass Tess vor Jahren ihren Vater mit einem Stein erschlagen hatte, dass er ein Säufer gewesen war und niemand ihn vermisste. Auch, dass Kate Byrnes Hochzeit dadurch den Bach runtergegangen war und dass Seán Byrne angefangen hatte zu trinken. Dermot hörte sich das Geplapper des Dorfwirts an, ohne ein Wort zu sagen. Als er von Kates geplatzter Hochzeit erfuhr, glaubte er, ihre ruppige Art ein bisschen besser verstehen zu können. Sie sprach zwar kaum mit ihm, aber er mochte sie und fand sie attraktiv. Dann dachte er an Tess. Sie hatte nicht gerade den Eindruck gemacht, als sei sie in der Lage, jemanden zu ermorden. Und wenn sie es getan hatte, warum?
    »Warum hätte sie ihn denn umbringen sollen, Mattie?« Eine vernünftige Frage.
    »Weiß ich auch nicht, mein Junge. Komisch, hab auch nie drüber nachgedacht. Bin einfach davon ausgegangen, weil sie eben ein bisschen komisch war und so.«
    Der Wirt verstummte, und während Dermot die Tageseinnahmen zählte, musste er unentwegt an diese eine, naheliegende Frage denken, die anscheinend niemand stellen wollte. Warum?
     
    Sam Moran hatte Glück. Sein Chef war noch im Büro und saß schweigend im Hinterzimmer seines kleinen Zeitungsverlages. Robert Talbot, ganz in Gedanken versunken, hob den Blick und sah sich einem grinsenden Moran gegenüber, der offensichtlich über irgendeine zwielichtige Geschichte gestolpert und davon äußerst angetan war.
    »Was gibt’s, Moran?«
    Sam nahm sich unaufgefordert einen Stuhl. Mit den gepflegten Umgangsformen seines Arbeitgebers hatte er, der auf
den Straßen von Dublin groß geworden war, noch nie etwas anfangen können.
    »Ich hab hier eine Riesengeschichte. Damit würden unsere Verkaufszahlen explodieren.«
    »Hmm«, entgegnete Talbot, der nicht leicht zu beeindrucken und sich außerdem vollkommen darüber im Klaren war, welche Art von Geschichten nach Morans Geschmack waren.
    Sam strahlte über das ganze Gesicht.
    »Na los, nun sitzen Sie nicht einfach da, sagen Sie, worum es geht!«, forderte Talbot ihn ungeduldig auf.
    Als Sam geendet hatte, war Talbot klar, dass die Geschichte vom moralischen Standpunkt aus nicht ganz einwandfrei war, dass die Leute sich aber durchaus für das Mädchen interessieren könnten. Vielleicht konnte Moran ja sogar ein Interview mit ihr oder der ganzen Familie führen. Auf Talbots kostbarem Eichenschreibtisch stand ein Bild von seinem Sohn mitsamt der Schwiegertochter und den Enkelsöhnen, aufgenommen in ihrer beengten Mietwohnung in New York, wo die Jungen nicht einmal einen Garten zum Spielen hatten. Er holte tief Luft.
    »Einverstanden, Moran. Sie kriegen die Geschichte. Aber keine schmutzigen Tricks und nichts als die Wahrheit, verstanden?«
    Sam war schon auf dem Weg zur Tür.
    »Das ist mein voller Ernst!«, rief Talbot ihm noch hinterher.
     
    Als Sam davonbrauste, dämmerte ihm, dass er keine Ahnung hatte, wo die Wahrheit in dieser Geschichte zu finden war. Er musste seine Karten jedenfalls mit Bedacht ausspielen, um an ein Interview mit dem Mädchen zu kommen. Sein Herz klopfte vor Aufregung, und betrübt stellte er fest, dass er sich wie ein hechelnder, ausgehungerter Hund mit wedelndem
Schwanz auf eine Geschichte stürzte, die vor zehn Jahren noch reine Routine gewesen wäre. Er schüttelte sich und lockerte seine Schultern, die auf dem Weg zu Talbot immer verspannter geworden waren. Was mochte das Mädchen wohl dazu veranlasst haben, seinen Vater zu töten? Was musste ein Vater seinem Kind antun, damit es dazu in der Lage war? Sam, der eigentlich auf dem Weg in sein Stammlokal war, wendete den Wagen und fuhr nach Hause. Ihm war eingefallen, dass er seine Kinder den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte.

Kapitel 7
    1949
    N ach der Geburt ihres ersten Kindes fuhr Maura Kelly, verheiratete Byrne, jeden Samstag nach Dublin, um ihren Bruder zu besuchen. Mit dem Baby auf dem Schoß nahm die

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