Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Backfisch geschmeichelt zu fühlen, empfand sie nichts als Trauer. In dieser Weise hatte sich schon lange
niemand mehr für sie interessiert, und Erinnerungen an Noel stiegen auf, Erinnerungen, die besser nicht geweckt wurden. Sie trocknete ihre Tränen und stand auf. In weniger als einer Stunde kam Ben nach Hause, und es gab noch eine Menge zu tun.
Kapitel 18
1952
M aura Byrne brauchte nicht zum Arzt zu gehen, sie wusste, dass sie schwanger war. Jedes Mal, wenn sie etwas kochen wollte, wurde ihr übel. Schwangerschaftsübelkeit trat angeblich nur morgens auf, aber ihr war den ganzen Tag über schlecht. Wie bei Séan damals, dachte sie, vielleicht wurde es wieder ein Junge. Trotzdem war dieses Mal alles anders, dieses Mal war es Michaels Baby. Maura fragte sich, wie er wohl reagieren würde, und hoffte, dass er Interesse an dem Kind zeigte. Doch dann verdüsterten sich ihre Gedanken, als ihr einfiel, dass Michael sicherlich Seán zugunsten seines eigenen Kindes enterben würde. Seit dem Tag ihrer Heirat gehörte das Land nicht mehr ihr, sondern ihrem Mann. Er konnte damit machen, was er wollte. Mauras Herzschlag beschleunigte sich, als sie daran dachte, was sie alles ertragen hatte, um wenigstens Seán eine Zukunft zu bieten. Kate würde schon zurechtkommen, würde hoffentlich heiraten und eine gute Partie machen, doch Maura fürchtete um ihren Sohn, der mit seinen knapp drei Jahren immer noch ein scheues, zurückgezogenes Kind war und jede erdenkliche Unterstützung brauchte. Sie wagte nicht, für eine Fehlgeburt zu beten, aber unbewusst fing sie an, in Haus und Hof bis zum Umfallen zu schuften.
Eines Nachmittags, als Maura auf Händen und Knien den rohen Holzfußboden in der Küche schrubbte, kam Michael
zur Tür herein, machte einen Schritt über sie hinweg, gab dem Wassereimer einen Tritt und stieß sie auf den durchnässten Boden. Maura unterdrückte mühsam ein Stöhnen, er sollte nicht wissen, dass er ihr wehgetan hatte, und schrubbte verbissen weiter. Am Montag setzten die Blutungen ein, und ein paar Tage später ließ die Übelkeit allmählich nach. Sie hatte diesen kleinen Menschen in ihrem Leib getötet, doch sie fühlte nichts. Michael hatte alle Wärme und Güte in ihr zerstört. Selbst in ihrem ehemals so schönen Gesicht zeigten sich um den Mund herum und auf der Stirn scharfe, tiefe Falten. Maura hatte nur noch einen einzigen Wunsch: zu erleben, wie ihre beiden Kinder erwachsen wurden und ein zufriedenes Leben führten, wie Seán den Hof der Familie weiterführte und Kate die Ehefrau eines Mannes wurde, der sie liebte. Bis es so weit war, war sie bereit, sich mit allen Grausamkeiten abzufinden, die Michael für sie bereithielt.
Kapitel 19
1981
K ate versuchte sich abzulenken, während Bens Gebrüll aus dem Badezimmer drang. Deirdre brachte ihm bei, sich selbst zu waschen. Dabei hielt sie seine Hand fest, um ihm zu zeigen, wie er mit der Seife umgehen sollte, aber er hasste es, von anderen Menschen angefasst zu werden. Kate fragte sich, ob es sich lohnte, ihn so zu quälen. Etliche Male war sie kurz davor, ihm zu Hilfe zu eilen, Deirdre zu bitten, ihn in Ruhe zu lassen, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Ben hatte ein Recht auf eine gewisse Würde, und es war sicherlich alles andere als würdevoll, wenn man als fast erwachsener Mann immer noch von der eigenen Schwester gewaschen wurde. Als Ben schließlich verstummte, war sie erst recht beunruhigt.
»Das ist schwer auszuhalten, nicht wahr?«, ließ sich Deirdre hinter ihr vernehmen.
»Ja. Ich weiß, es ist zu seinem Besten, aber er versteht das nicht. Er wundert sich, wo ich bin, und das halte ich einfach nicht aus, Deirdre.«
»Bei einer so stark ausgeprägten Form des Autismus, wie Ben sie hat, ist jede Veränderung ein Problem. Alles Neue macht ihm Angst, selbst so einfache Dinge wie ein Bad zu nehmen. Aber er muss in der Lage sein, sich bis zu einem gewissen Grad selbst zu versorgen.« Deirdre war klar, dass Kate das alles bereits wusste. Sie wollte ihr nur noch einmal den
Rücken stärken und ihr versichern, dass sie das Richtige tat. »Manchmal brauchen die Kinder eine fremde Person, die ihnen hilft, Fortschritte zu machen, Kate. Es ist nicht gut, wenn er vollkommen von dir abhängig ist. Was ist, wenn du zum Beispiel krank wirst, in Urlaub fährst oder heiratest? Es ist besser für Ben, wenn er an möglichst viele Menschen gewöhnt ist, nicht wahr?«
»Du hast ja Recht«, erwiderte Kate skeptisch. Natürlich war es denkbar, dass sie
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