Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Seit Jahren unbewohnt. Die beiden Alten sind schon vor Jahren gestorben, so
weit ich mich erinnern kann. Ist das wichtig?«, hakte Ryan neugierig nach.
»Ach nein, ich wollte bloß wissen, wer das war«, erwiderte Seán und beugte sich über sein Guinness. Als die schwarze Flüssigkeit seine Lippen berührte, schauderte ihn. Es schmeckte scheußlich. Wahrscheinlich würde er sich nie daran gewöhnen. Beim zweiten Schluck fiel ihm auf, dass sein Onkel und sein Cousin den Pub verlassen und die Tür leise hinter sich zugezogen hatten.
Seán war eigentlich keinen Schritt weitergekommen. Falls es tatsächlich diese Brigid gewesen war, dann kannte niemand ihren Familiennamen, und selbst wenn, war sie jetzt vermutlich verheiratet. Er würde sie niemals ausfindig machen.
Als er etliche Stunden später ins Haus torkelte, blieb Kate im Bett liegen. Sie hörte ihren Bruder in der Dunkelheit herumtasten und gegen die Möbel stoßen. Sie stand nicht auf. Es hätte nur Streit gegeben. Noch lange, nachdem Seán in seinem Rausch ins Bett gefallen war, lag sie wach und fragte sich, warum Maura ihr verschwiegen hatte, dass Michael Byrne nicht ihr leiblicher Vater war. Morgen wollte sie versuchen, Seán zur Vernunft zu bringen. Es gab nur noch sie beide, und sie waren aufeinander angewiesen.
Kapitel 17
1981
E s war bereits das zweite Mal in dieser Woche, dass Deirdre O’Connell bei Kate Byrne in der Küche saß. Glücklicherweise war Seán immer unterwegs, wenn die Gemeindeschwester vorbeikam. Deirdre konnte großartig mit Tess umgehen und war auch für Ben eine Hilfe. Kate verstand mittlerweile deutlich besser, was in ihm vorging, und sie hatte das Gefühl, als sei ihr kleiner Bruder schon lange nicht mehr so ausgeglichen gewesen. Als Deirdre in ihren Mantel schlüpfte und sich verabschiedete, empfand Kate eine große Dankbarkeit.
»Wissen Sie, es ist schon lange her, dass mir jemand Hilfe angeboten hat. Vielen Dank.«
Kate schossen die Tränen in die Augen. Es stimmte, dass ihr schon lange niemand mehr geholfen hatte, aber sie hatte auch schon lange keine Hilfe mehr erwartet, von niemandem. Sie hätte es als Schwäche empfunden, und eigentlich war sie der Meinung, dass es am besten war, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Sogar Seán hatte sie im Lauf der letzten Jahre mehr und mehr im Stich gelassen. Das bisschen Geld, das der Hof abwarf, hatte er in die Kneipe getragen, sodass sie eine Hilfskraft beschäftigen mussten, die die Arbeit erledigte, während Seán durch die Trinkerei seine Gesundheit ruinierte.
»Gern geschehen, Kate«, lächelte die Schwester warmherzig. »Ich schaue am Dienstag wieder vorbei.«
Als sie zusammen in der Tür standen, sahen sie Tess im Gespräch mit Dermot, der ihr auf dem alten Ackergaul das Reiten beibrachte.
»Hey, Kate, ist Ihnen schon aufgefallen, dass Ihr Knecht gar nicht so übel aussieht?« Die Schwester lachte, und als sie bemerkte, dass Kate rot wurde, lachte sie noch lauter.
Winkend stand Kate in der Tür, als Deirdre davonfuhr. Sie sah Tess auf dem Pferd sitzen. Dermot, groß gewachsen und mit ebenso dunklen Haaren wie sie selbst, sah tatsächlich gar nicht übel aus. Sie spürte, wie sie errötete, als Dermot die Hände um Tess’ Taille legte und sie vom Pferd hob. Sie musste mit ihm sprechen, damit er nicht auf dumme Gedanken in Bezug auf ihre Schwester kam.
Gegen Abend entdeckte Tess Dermot unter dem alten Traktor, der wieder einmal streikte.
»Tess, gib mir mal den großen Schraubenschlüssel da. Nein, den da, neben deinen Füßen.«
»Ich helfe dir gerne, Dermot.«
»Und ich lasse mir gerne von dir helfen.«
Dermot stellte fest, dass er in Gegenwart dieses Mädchens viel umgänglicher war als sonst. Ihre Ehrlichkeit war ebenso verblüffend wie erfreulich. In gewisser Weise war sie ihm ähnlich. Er konnte nicht verstehen, warum die Menschen so oft nicht die Wahrheit sagten und gleichzeitig so ungern belogen wurden.
»Dermot, kann ich dir eine persönliche Frage stellen?«
Aha, dachte Dermot. »Ja.«
»Findest du Kate hübsch?«
Dermot hob verblüfft den Kopf. Er hatte mit einer nüchternen Frage nach der Einwohnerzahl von Galway oder dergleichen gerechnet.
»Ähm … ja, natürlich ist sie hübsch.« Er würde den einzigen wirklich ehrlichen Menschen, den er kannte, nicht belügen.
»Also«, erwiderte Tess munter, »Kate findet es hochinteressant, dass du keine Freundin hast.«
Dermot schwieg. Er hätte gerne mehr über das Gespräch erfahren, das Tess
Weitere Kostenlose Bücher