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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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aller Kraft in den Hof. Feuerholz. Sie stieg über eine zerbrochene Kiste, klaubte einen schrumpligen Apfel hervor, biss herzhaft hinein, warf die Kiste zum Feuerholz.
    Ein kleines Fass stand in einer Ecke; die Mönche hatten es wohl in der Dunkelheit übersehen. Butter war darin, und Rosamund steckte den Finger hinein, leckte ihn ab, steckte ihn wieder hinein, so lange, bis ihr der Bauch wehtat. In einer anderen Ecke war ein Haufen mit Erde aufgeschüttet. Rosamund wühlte, fand Mohrrüben darin. Sie lächelte, hatte jetzt genug für ein paar Tage.
    Sie verließ die Vorratskammer und umschritt, noch immer im Nachthemd, die Ruine, die nun nicht mehr qualmte.
    Der Haupteingang des Klosters war verschüttet, Steine und verkohlte Balken lagen kreuz und quer. An der Rückseite des Klosters befand sich ein geheimer Gang; Gunhilde hatte Rosamund davon erzählt. Sie fand die Tür, riss daran. Von der Wärme und vom Löschwasser aufgequollen, ließ sie sich nicht öffnen, so sehr sie auch zog, zerrte, mit den Füßen dagegentrat. Wind war aufgekommen, riss an ihrem dünnen Hemd, wehte es hoch bis über die nackten Schenkel. Ich hole mir den Tod, dachte Rosamund, blickte zum Himmel und bat Gott, ihr Hilfe zu schicken.
    Heute war der Herr nicht taub für ihre Wünsche. Ein paar Schritte neben dem Geheimgang, dort, wo sie im Sommer das Holz zum Trocknen stapelten, fand Rosamund eine Axt.
    Sie nahm sie in beide Hände, schwang sie über den Kopf und hieb die Axt so fest in das Holz der Tür, dass ihr die Splitter um die Ohren sausten. Rosamund jubelte auf, schwang erneut die Axt, wieder und wieder, bis das Türblatt in Fetzen hing. Dann stieg sie durch die Öffnung, tastete sich mit den Händen den rußgeschwärzten, stockdunklen Gang entlang bis zum Fuße einer Treppe, die steil nach oben führte. Rosamund versuchte sich zu erinnern, wo genau diese Treppe hinführen könnte, doch sie kannte die Ecken und Winkel des Klosters nicht gut genug. Auf allen vieren erklomm sie Stufe für Stufe. Ihre Hände trafen auf die spitzen Kanten von Steinen, schmierten im Ruß herum, einmal rutschte sie ab, fiel ein Stück, rappelte sich hoch und erklomm noch vorsichtiger die Treppe.
    Als sie deren Ende erreicht hatte, war sie von Schweiß überströmt. Sie stand vor einer Tür, rüttelte an der Klinke und verfluchte sich, weil sie die Axt vergessen hatte. Mit dem ganzen Leib warf sie sich gegen die Tür und war fast überrascht, als diese leise knarrend zurückschwang. Rosamund trat über die Schwelle. Durch ein Fenster mit gesprungenen Butzenscheiben lugte der helle Tag. Sie sah sich um. Sie war in der Sakristei.
    Ein Schrank war umgestürzt, lag halb auf einem derben Tisch. Eine Tür war offen, und daraus hing ein kostbares Gewand. Eines von denen, die der Priester nur an hohenFeiertagen trug. Der Abt musste es gewesen sein, dessen Leib es zuletzt geschützt hatte.
    Rosamund zerrte daran, murmelte dabei vor sich hin: «Jetzt gibst du mir doch ein Heim.» Sie schlüpfte in das weiße Gewand, das mit kostbaren Goldstickereien übersät war und viel zu groß für ihren Körper. Doch es wärmte so angenehm wie ein gutes, weiches Lammfell.
    Sie lächelte. Zum ersten Mal seit dem Brand spürte sie ein bisschen Mut, ein bisschen Kraft. Langsam, ein wenig beschämt und trotzig in dem Kleid, das ihr nicht zustand, tat sie Schritt für Schritt, leise und zaghaft, als könnte sie die Ruhe stören.
    In einem Bord lagerten die Hostien, daneben stand der Wein. Rosamund ließ sich auf einen gepolsterten Schemel gleiten, biss in eine Hostie, trank einen Schluck aus dem Weinkrug. Jetzt erst spürte sie, wie hungrig sie war. Also nahm sie die nächste Hostie, den nächsten Schluck Wein, hielt ganz allein das Abendmahl, labte sich am Leib und am Blut des Herrn.
    Als sie satt war, betrat sie die Kapelle. Auch sie war beschädigt, die hinteren Bänke waren verkohlt, angesengt, aber nicht zu Asche zerfallen. Über dem Altar lag noch die wertvolle Decke, gefertigt von den Goldstickerinnen in Amsterdam. Darauf der schwere Silberleuchter, die Monstranz, die Silberkelche für den Wein, die kostbare, in feines Leder gebundene Bibel.
    Vorsichtig näherte sich Rosamund dem Altar, wischte mit dem Ärmel des Priestergewandes den Ruß von der Heiligen Schrift, wischte auch die Monstranz sauber.Warum hatten die Mönche diese Schätze unangetastet gelassen?, überlegte sie und fand sogleich die Antwort. Es war noch zu heiß gewesen in der Ruine. Sie würden wohl wiederkommen

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