Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Hexerei. Sein Buch «Antipalus maleficiorum» galt als bedeutender und schrecklicher als der Hexenhammer. Sein zweites Buch «De septem secundeis» stand sogar auf dem Index. Darin sollte erklärt sein, wie Gott mit Hilfe von sieben Dämonen die Welt regierte. Und jeder, der dieses Buch gelesen hatte, wäre ebenfalls in der Lage, die Welt zu beherrschen.
Rosamund glaubte nicht an die Macht dieses Buches. Doch sie wusste, dass die Leute daran glaubten, weil sie es so wollten, weil es sie von der eigenen Schuld befreite.
Es spielte nicht einmal eine Rolle, ob es das Buch tatsächlich gab oder nicht. Wichtig war nur, was die Leute glaubten.
Als Matteo später aus der Werkstatt hinauf ins Haus kam, fragte Rosamund ihn: «‹De septem secundeis›, kennst du es?»
Matteo schüttelte den Kopf. «Was ist das? Von den sieben Geistern? Was bedeutet das?»
«Es ist der Name eines Buches. Eines Teufelsbuches. Wer es gelesen hat, ist in der Lage, die ganze Welt zu beherrschen, heißt es.»
«Oh, wo kann ich es kaufen?»
«Matteo, das ist kein Scherz!» Rosamund sah ihren Mann so ernst an, dass ihm das Lächeln im Gesicht erfror. «Die Leute erzählen sich, dass wir dieses Buch hätten. Du hättest es. Michael hat das Gerücht gestreut. Und ich weiß noch aus dem Kloster, dass überall darüber spekuliert wurde.»
Matteo wurde blass, ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl fallen und starrte Löcher in die Luft. Dann sah er Rosamund an. «Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute die Wahrheit erfahren. Wir haben kein solches Buch. Michael wird sich verantworten müssen.»
Rosamund lachte bitter auf. «Du wirst durch Worte nicht ändern können, was die Leute glauben wollen. Und sie wollen glauben, dass du das Buch hast. Michael neidet dir deine Aufträge, deinen Erfolg als Maler. Er glaubt, ein Weißbinder wäre geringer als ein Maler. Also muss er dich schlechtmachen. Und die Leute sind von Michael abhängig; er ist der Zunftmeister, gibt ihnen Aufträge. Es geht nicht um dich oder das Buch. Es geht um Macht; und deshalb sind wir machtlos.»
«Und was sollen wir jetzt tun?»
Rosamund zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht. Alles ist noch schlimmer, weil die Frankfurter glaubten, ich wäre eine Heilige. Ursula hat es gesagt: Zwischen dem Teufel und dem Heiligen sind die Unterschiede nur gering. Wir müssen einfach abwarten und hoffen, dass es bald ein neues Ereignis gibt, welches die Leute beschäftigt.»
Matteo nickte, erhob sich. Der Blick, mit dem er Rosamund maß, gefiel ihr nicht. Er war ohne Liebe, er war fragend, zweifelnd.
«Ich gehe», erklärte Matteo.
«Wohin? Es ist schon spät.»
«In die Schänke neben der Zunftstube will ich und hören, was gesprochen wird.»
Rosamund nickte, dann setzte sie sich in einen Polsterstuhl, nahm eine Handarbeit. «Geh nur», sagte sie traurig. «Ich werde hier auf dich warten.»
Er kam spät nach Hause, sehr spät. Sein Atem roch nach Wein.
«Und?», fragte Rosamund. «Was hast du erfahren?»
«Nichts Neues», murmelte er und starrte vor sich hin.
«Du hast doch etwas. Sag es mir!»
Er blickte sie aus trüben, rotgeränderten Augen an, stieß einen Rülpser aus und sprach: «Wenn du wenigstens schwanger werden würdest, so hätten wir keine Probleme. Ein Kind ist immer ein Zeichen von Gottes Gnade.»
Seine Worte klangen bitter. Rosamund wollte ihm tröstend über die Wange streichen, doch er wich zurück. Seine Geste traf sie ins Herz, sie weinte sich in den Schlaf.
Am nächsten Morgen eilte sie in die Kirche zur Messe. Sie hielt den Rosenkranz die ganze Zeit über fest in den Händen, sprach die Gebete mit Inbrunst. Als die Messe vorüber war und die Gläubigen die Kirche verlassen hatten, trat sie zum Priester. «Pater, ich will beichten.»
Der Geistliche nickte, ging voran zum Beichtstuhl. Dort, in der Geborgenheit des dunklen Kämmerchens, klagte Rosamund dem Priester ihr Leid und bat ihn um Hilfe.
«Ein Kind, Hochwürden, so gern hätte ich ein Kind. Ganz gleich, ob Junge, ob Mädchen, Hauptsache ein Kind. Ich bin schon 20 Jahre alt, meine Schwester ist jünger und hat bereits einen Sohn. Was soll ich tun, Hochwürden?»
«Betest du fleißig, mein Kind?»
«Ja.»
«Berührst du dich unsittlich, wenn der deine nicht verfügbar ist?»
«Nein, Hochwürden.»
«Drängst du ihn auf dein Lager, wenn es dir nur um die Lust geht?»
Rosamund schluckte. «Manchmal, Hochwürden.»
«Siehst du, Kind, da lauert der Satan. Er ist den Weibern im Schoß.
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