Das Mädchen mit den Teufelsaugen
fehlte. Er suchte ihn im ganzen Haus, fand ihn mit gesträubtem Fell und zitternd im Holzschuppen. Er hob ihn hoch, bürstete das Fell, damit der Schmutz nicht in Rosamunds Bett gelangte, und brachte ihn zu seiner Herrin.
Sogleich hörte Bommel auf zu zittern, räkelte sich neben ihr, streckte alle vier Pfoten in die Luft und warf sich dann herum, um Rosamunds Gesicht zu lecken. Rosamund lächelte und schlief von neuem ein.
Lange lag sie krank. Das Fieber ließ sie in der Nacht aus schlimmen Träumen schrecken. Die Wunden auf ihrem Leib heilten gut, doch immer, wenn Matteo ihre Brüste berührte, schreckte sie zurück, als hätte sie sich verbrannt.
«Was ist?», flüsterte er. «Tue ich dir weh?»
Rosamund schüttelte den Kopf. «Hochwürden sagte, die Teufel wären es, die mir die Haut so kribbeln machen, wenn mich jemand berührt.»
Da zog sich Matteo aus, legte sich nackt neben sein Weib und streichelte sie so lange, bis das Brennen aufhörte und einer wohligen Wärme wich.
«Fühlt sich so der Teufel an?», raunte er in ihr Ohr.
«Nein», flüsterte sie zurück. «Deine Hände sind mir eher das Paradies.»
Als Rosamund wieder so weit genesen war, dass sie über Tag ein wenig aufstehen und herumgehen konnte, das Hündchen Bommel dicht neben sich, machte sie sich auch wieder in der Werkstatt nützlich.
Eines Abends aber, als sie wieder beieinanderlagen und Matteos Hände wie eine Wundersalbe über ihren Leib glitten, sagte sie: «Ich glaube, es ist Zeit für den zweiten Exorzismus. Der Priester war der Meinung, er wäre nötig. Nun, ich bin bereit dafür.»
Aber Matteo schüttelte den Kopf. «In dir wohnen keine Teufel. Du brauchst den Priester nicht.»
«Bin ich dir keine Heilige? Keine Teufelin?»
«Aber nein. Für mich bist du Rosamund. Die Frau mit den schönsten Augen der Welt.»
Rosamund lächelte, aber getröstet war sie noch nicht.
«Und was sollen wir tun, wenn doch ein Teufel in mir wohnt? Schließlich haben wir noch immer kein Kind.»
Da küsste Matteo sie zärtlich und sagte leise: «Vielleicht wohnt der Teufel der Kinderlosigkeit nicht in dir, sondern in mir. Wenn es nötig sein sollte, so werde ich mich exorzieren lassen. Niemals aber lasse ich zu, dass dir jemand wieder so wehtut.»
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Der 11. März des Jahres 1551 war für ganz Frankfurt ein Unglückstag. Der Winter war hart gewesen, lang und frostig. Hüfthoch hatte der Schnee gelegen, war seit Januar nicht getaut. Die Abortgruben der Stadt liefen über, auf dem Friedhof hatte man die Leichen in einer Ecke gestapelt und wartete darauf, dass der Frost den Boden so aufweichte, dass sie begraben werden konnten.
Manche Kirchen waren die ganze Nacht über geöffnet, damit die Bettler nicht auf der Straße erfrieren mussten. Die Menschen verließen ihre Häuser nur, wenn es unbedingt nötig war, und selbst die Marktfrauen und Fischer, die einiges gewohnt waren, ließen ihre Arbeit liegen und blieben zu Hause.
Auf dem Main ließen ein paar unerschrockene Kinder ihre Reifen treiben, denn das Eis war dick wie ein Männerarm. Doch in der Nacht zum 10. März begann es zu tauen. Innerhalb weniger Stunden war ein warmer Wind aus dem Süden gekommen und hatte das Eis zum Schmelzen gebracht. Der Main zeigte Risse zwischen den Eisschollen. Die Gassen waren nass und glitschig, und dort, wo sie nicht gepflastert waren, versank man knietief im Dreck. Die Menschen atmeten auf, öffneten seit Monatenwieder einmal ihre Fenster und ließen frische Luft in die Stuben.
Die Mägde schwatzten am Brunnen, Waschfrauen reckten die Gesichter in die blasse Märzsonne. Es schien, als wäre mit dem Südwind auch das Leben in die Stadt zurückgekehrt. In den Kirchen wurden Messen gelesen, Frauen zündeten Kerzen zur Ehre der Mutter Maria an.
Die Totenfrau eilte klagend durch die Gassen, denn nun war es an der Zeit, die Leichen der vergangenen Monate zu begraben.
Doch die Freude währte nicht lange. Am frühen Nachmittag des 11. März, lange vor der Vesper, braute sich über den Dächern der Stadt ein Unwetter zusammen. Dicke, schwarze Wolkenburgen mit schwefelgelben Rändern hingen über Frankfurt. So tief, dass es schien, als würden sie die Dächer niederdrücken. Der Wind drehte, blies nun kalt und so heftig aus Norden, dass die zarten Birken sich fast bis zum Boden bogen.
Der Tag verdunkelte sich, wurde zur Nacht, die von keinem Mond erhellt wurde. Und dann brach das Unwetter los. Der Wind peitschte die Fensterläden
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