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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Blicken. Dann stieß das Urselchen die Mutter in die Seite, sagte laut: «Komm,hier haben wir nichts mehr verloren», und schritt, ohne Rosamunds Gruß zu erwidern, davon.
    Kopfschüttelnd sah Rosamund ihr nach. «Was hat sie denn?», fragte sie die anderen Frauen, die meisten von ihnen Nachbarinnen aus der Weißbindergasse.
    «Vielleicht macht ihr die Schwangerschaft zu schaffen», vermutete eine, hob die Hand zum Gruß und ging davon. Auch die anderen taten mit einem Mal sehr beschäftigt, murmelten etwas von Einkäufen und eingeweichter Wäsche, und schon stand Rosamund beinahe allein da. Nur die Großmutter von Falk war noch geblieben.
    Rosamund schüttelte den Kopf, sah den Frauen verblüfft hinterher.
    «Gehetzt hat sie, Eure Schwester, das Luderbein. Ein Rattengewitter ist das Weib, wie es der Herr in der Bibel nicht besser hätte beschreiben können. Statt Blut fließt Galle in ihren Adern, und ihre Worte sind schlimmer als Gift.» Die alte Frau schüttelte sich, ehe sie weitersprach. «Der ihre hätte ihr bei Zeiten den Wanst versohlen sollen. Jetzt ist es zu spät. Jetzt hat sie Oberwasser, und Eure Mutter schaut kuhdumm zu.»
    Rosamund legte eine Hand auf den Unterarm der Falk’schen Großmutter. «Sprecht nicht allzu schlecht von meiner Schwester. Sie ist nicht eigentlich böse, nur dumm ist sie. Und manchmal weiß ich nicht, was schlimmer ist.»
    «Pah, wenn es nur die Dummheit wäre.» Die Großmutter beugte sich zu Rosamund. «Bei ihr aber paart sich Dummheit und Bosheit, und das ist wahrhaft gefährlich. Ihr hättet hören sollen, wie sie sich vorhin vor allen hiergebläht hat. Gekeift und gezetert hat sie wie ein altes Fischweib. Und keinen guten Faden hat sie an Euch gelassen. Mit der nimmt’s einmal ein schlimmes Ende, das kann ich Euch versichern.»
    «Was hat sie nur gesagt, dass Euch so in Zorn gebracht hat?»
    Die alte Frau lachte bitter auf und klopfte mit ihrem Stock auf das noch immer nasse Straßenpflaster. «Gesagt hat sie nicht viel. Nur angedeutet und geheimnisvoll getan. Hat davon gesprochen, dass schon einmal eine Kuh in Eurer Nähe gestorben sei. Die Ursula hat’s zwar geflüstert, aber so laut, dass sie alle verstanden haben. Auch war von verdorrten Blumenbeeten die Rede, und sogar den Falk hat sie als Zeugen für Eure Hexenkünste benannt.»
    Rosamund lachte. «Ach, das ist doch nicht schlimm. Fast jeder war schon einmal in der Nähe, als irgendwo ein Stück Vieh zugrunde gegangen ist. Und das andere sind alles alte Geschichten. Neu ist daran überhaupt nichts.»
    «Das stimmt schon», gab ihr die Alte recht. «Aber denkt einmal daran, was man früher noch so alles über Euch erzählte. Und nun plötzlich ein Gewitter mitten im Frühjahr. Ein Gewitter mit Hagel, der die frische Saat vernichtet hat und bestimmt mehr als nur zwei Kühe in den Main gerissen hat. Ein Bettler fehlt nämlich auch. Einer, der immer in unsrer Gasse zu finden war. Der alte Sebastian. Nun, sein Bündel liegt noch dort, wo es immer liegt. Aber von dem Alten keine Spur. Ich bin sicher, er wird in den nächsten Tagen irgendwo mainabwärts an Land gespült. Und die Ursula hat’s mehrmals erzählt. So lange,bis es auch das letzte der Weiber verstanden hat. Sogar am Brunnen hat sie gestanden, Eure Schwester, und mit den Mägden getratscht, die sie sonst nicht einmal mit dem Hintern anschaut.»
    «Das ist sicher nicht besonders christlich, aber etwas Verbotenes kann ich darin nicht erkennen», erklärte Rosamund und wusste noch immer nicht, warum die Frau, deren Enkel sie einst abgewiesen hatte, so zornig war.
    «Da habt Ihr recht, verboten ist es nicht. Aber gefährlich.» Die Alte hob den Zeigefinger der rechten Hand und fügte hinzu: «Besonders, wenn all die Ereignisse mit dem Datum in Verbindung gebracht werden. Der 11.   März. Ihr wisst, was das bedeutet?»
    Rosamund wurde blass und nickte. «Der 11.   März», wiederholte sie leise. «Der Namenstag von Rosamund.»

Vierundzwanzigstes Kapitel
    Zwei Monate nach dem schlimmen Unwetter und ein halbes Jahr nach Rosamunds Exorzismus waren die Knospen der Bäume voller Saft. Die Blumen streckten ihre Köpfe der Sonne entgegen, überall regte sich Leben. Apfelbäume standen in voller Blüte, die Mägde gingen mit losem Mieder, und auf der großen Bleiche lag die Wäsche in der Sonne.
    Ursula watschelte mit stolz gewölbtem Leib und durchgedrücktem Rücken umher. Ihre Niederkunft stand kurz bevor. «Der Herr war uns noch einmal gnädig», verkündete sie mit

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