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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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gegen das Mauerwerk, Donner brüllten, Blitze zuckten wie Peitschenhiebe zwischen den Wolken hindurch.
    Die Frankfurter banden ihre Läden fest, holten die Kinder und die Tiere ins Haus, verriegelten Tür und Tor. Der Wind heulte wie der Höllenhund im Kamin, fegte durch die Gassen, trieb Unrat wie Spielzeug vor sich her.
    Plötzlich ertönte ein Trommeln, als nähere sich ein ganzes Kriegsheer der Stadt. Hagelkörner, groß wie Hühnereier,schlugen auf die Dächer, rissen Löcher hinein, verwandelten Holzschuppen, Fischerboote, Marktstände und die Flaggen vor dem Rathaus in Siebe.
    Von allen Kirchen wurden die Sturmglocken geläutet, doch das Geläut ging im Heulen des Windes und im Prasseln des Hagels unter.
    Rosamund, Matteo und Dietrich standen in der Werkstatt und blickten zur Decke. Noch war alles dicht, noch kam kein Wasser herein. Rosamund drängte sich ängstlich an ihren Mann, nahm seine Hand. «Noch nie habe ich ein solches Unwetter erlebt», flüsterte sie.
    Dietrich nickte und bekreuzigte sich. «Wer weiß, wofür der Herr uns damit strafen will   …»
    Ganz still standen die drei, duckten sich unter dem Hagel wie unter Schlägen. Rosamund spähte aus dem Fenster, sah über den Hof hinüber zum Haus. Drüben mühte sich die Ulla, die Läden festzubinden, doch gegen die Kraft des Sturmes war sie ohnmächtig.
    So schnell, wie der Hagel gekommen war, ging er auch wieder. Die Blitze zuckten nur noch in weiter Entfernung über den Himmel, die Donner hallten mit schwachem Echo.
    Rosamund atmete auf. Doch zu früh. Jetzt kam ein Regenguss, der den Hof innerhalb weniger Augenblicke unter Wasser setzte. Ein kleiner Sturzbach drang von der Gasse her durch das Hoftor. «Los», sagte sie zu Matteo. «Lass uns jetzt hinüber ins Haus laufen.»
    «Ich bleibe hier», erklärte Dietrich. «Einer muss auf die Werkstatt achten.»
    Matteo nickte, dann packte er Rosamunds Hand, und beide hetzten über den Hof. Obwohl es nur ein paar Meter waren, war Rosamund innerhalb von Sekunden völlig durchnässt. Das Kleid hing an ihr wie ein Sack.
    Die Magd kam aus der Küche gerannt, brachte trockene Tücher, wischte hinter ihnen den Boden auf.
    Noch immer prasselte der Regen gegen die Fenster und auf das Dach. Das Herdfeuer war erloschen; es hatte dem Sturm nicht mehr standhalten können.
    «Die Welt ist wohl gerade ihrem Untergang entronnen», sagte Matteo und lachte ein wenig dabei. «Und uns bleibt nichts anderes übrig, als zu Bett zu gehen und den morgigen Tag herbeizuschlafen.»
    Rosamund gab ihm recht, und auch die Ulla schien froh, diesen unheilvollen Tag beenden zu können.
    Die Schläge der nahen Turmuhr hatten die achte Stunde noch nicht vollendet, als das Haus bereits in tiefem Schlummer lag.
     
    Doch die Ruhe hielt nicht lange an. Rosamund schien es, als hätte sie kaum ein Auge zugemacht, als es unten heftig an der Haustür klopfte. Sie öffnete das Schlafzimmerfenster, stieß die Läden weit auf und beugte sich hinaus. Hinter sich hörte sie, wie Matteo sich aus den Kissen wühlte und verschlafen fragte: «Was ist denn nun schon wieder los?»
    Unten vor dem Haus stand der Falk. «Schnell», rief er. «Steht auf. Der Main ist über die Ufer getreten, die Wiesen sind schon ganz überschwemmt. Und in den Kellern am Anfang der Gasse steht das Wasser. Kommt und helft!»
    Kaum hatte er den Satz herausgebracht, stürzte er schon zum nächsten Haus.
    Rosamund nickte, schloss die Läden, weil es draußen noch immer regnete.
    «Was ist los?», fragte Matteo erneut.
    «Der Fluss hat die Uferwiese überschwemmt und die Keller unten in der Gasse geflutet. Wir müssen helfen.»
    Sie nahm seine Sachen von einem Schemel, warf sie ihm zu.
    Geschwind zogen sie sich an, weckten die Magd Ulla und auch den Gesellen Dietrich, der in der Werkstatt vor dem Ofen geschlafen hatte. Bewaffnet mit Eimern, Schaufeln, mit Trögen und Kellen eilten sie die Gasse hinab, deren Ende auf Flusshöhe und nur ein paar Bootslängen vom Ufer entfernt lag.
    Im Keller von Falks Haus sah es verheerend aus. Ein Fass mit Sauerkraut war umgestürzt und hatte seinen Inhalt im Wasser verteilt. Geräucherte Würste schwammen zwischen Kohlköpfen und Speckseiten, Büschel von ehemals getrockneten Kräutern irrten zwischen umgestürzten Regalen umher. Rosamund schaufelte die dunkle, seltsam riechende Brühe in einen Eimer, reichte diesen weiter an Matteo, der ihn seinerseits an den Hintermann weitergab, und immer so fort, bis zur Straße. Dort wusste niemand, wohin

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