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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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mit dem Wasser aus den Kellern, denn auch auf der Gasse stand das Nass kniehoch. Leere Fässer wurden herangerollt, doch bald waren diese voll, und noch immer rann der Regen vom Himmel, als wolle er nie wieder damit aufhören. Schließlich wurden die vollen Eimer indie Brunnen gegossen, ungeachtet der Dinge, die aus den Vorratskellern herausgespült worden waren.
    Rosamund hatte mit Matteo den Platz getauscht, reichte nun Eimer um Eimer an den nächsten. Ihr Kleid war nass bis hinauf zu den Schenkeln, über den Rücken und zwischen den Brüsten rann ihr der Schweiß. Langsam erlahmten ihre Arme, und sie hielt inne, um eine Pause zu machen. Sie ließ die Schultern kreisen und trat auf die Gasse, in der einige Männer damit beschäftigt waren, Säcke mit Sand zu füllen, um damit die Keller abzudichten.
    Rosamund hatte sich kaum die Füße vertreten, als ein schrilles Quieken sie auffahren ließ. Das Urselchen, schwerbäuchig, in einem fadenscheinigen Nachthemd und nur mit einem Umschlagtuch über den Schultern, erschien auf der Gasse.
    «Kommt zu uns, Ihr Leute, kommt zu uns», schrie sie. «Auch in unserem Keller ist es ganz nass. Wir werden verhungern, wenn unsere Vorräte verderben. Schon läuft das Wasser die Kellertreppe hinab. Kommt, ehe der Dreck die Weinfässer ruiniert.»
    Einer der Männer, der die Säcke mit Sand befüllte, hielt inne. «Was redet Ihr da, Weib! Euer Haus liegt weiter oben. Viel Wasser kann bei Euch nicht eingedrungen sein. Geduldet Euch, bis Ihr an die Reihe kommt.»
    «Aber ich bin schwanger», greinte das Urselchen.
    «Wenn es nicht der Wassergeist war, der Euch geschwängert hat, so müsst Ihr keine Sorge haben», entgegnete der Mann.
    Die übrigen Männer lachten, und auch Rosamund verzogdas Gesicht. Da aber ging die Ursula auf ihre Schwester los.
    «Befiehl den Männern, dass sie jetzt zu uns kommen. Los, mach schon. Jeder hier weiß doch, dass du die Macht dazu hast.»
    Rosamund drehte sich brüsk um. «Ich habe die Macht nicht. Warte, bis du an der Reihe bist.»
     
    Sie hatten gearbeitet, bis silberne Streifen am Horizont den Morgen ankündigten. Die meisten Keller waren mittlerweile trocken, doch noch immer fiel der Regen vom Himmel, und es stand zu befürchten, dass der Main noch höher über die Ufer stieg. Die Ratsherrschaft der Stadt hatte zwar Wächter am Fluss zurückgelassen, doch viel konnten diese auch nicht ausrichten. In den Häusern, die dem Main am nächsten standen, lagen Schaufeln, Sandsäcke, Tröge und Kellen bereit.
    Als Rosamund erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Noch immer hingen die Wolken mit ihren dicken Bäuchen beinahe auf den Dächern der Stadt, doch der Regen hatte aufgehört, und die Sonne lugte vorsichtig zwischen den Wolkenbergen hindurch.
    Rosamund reckte sich und spürte dabei jeden Knochen in ihrem Leib. Die Anstrengung der letzten Nacht hatte ihre Muskeln verkatert.
    Leise, um Matteo nicht zu wecken, schlich sie aus der Kammer und hinunter in die Küche. Der Herd war noch kalt, die Wassereimer leer, der Einkaufskorb stand ungefüllt in der Ecke. Auch Ulla schlief noch. Kein Wunder,dachte Rosamund, war sie doch ebenfalls die ganze Nacht auf gewesen.
    Rosamund holte frisches Wasser vom Brunnen, wusch sich, kleidete sich an, hängte sich den Weidenkorb über den Arm und ging hinauf zum Markt auf dem Liebfrauenberg, um frisches Brot, warme Brötchen und Milch vom Tage einzukaufen.
    Die Straßen waren belebt, wie sie es gewöhnlich nur zu Zeiten der Messe waren. An jeder Ecke hatten sich kleine Trauben gebildet, um über das gestrige Unwetter und seine Folgen zu reden.
    «Unten am Fluss hat’s ein Kälbchen erschlagen. Hagel ist ihm auf den Kopf gekommen. Da ist es umgefallen und in den Uferwiesen ersoffen. Die Mutterkuh hat gebrüllt, als hätte der Wahnsinn sie befallen. Sie wollte ihr Kleines retten und ist dabei selbst ersoffen. Nun haben die armen Leute, denen das Vieh gehörte, ihren ganzen Besitz verloren», erzählte eine junge Frau, die einen kleinen Jungen mit rotzverschmiertem Gesicht an der Hand hatte.
    Rosamund hörte zu, bedauerte die arme Familie und lief weiter. Bei der Nikolaikirche auf dem Römerberg, kurz vor dem Brunnen, sah sie ihre Schwester und ihre Mutter. Ursula hatte die Hände auf ihren schweren Leib gelegt, das Kinn zum Hals hinuntergedrückt, während Lisbeth mit einem Korb neben ihr stand, als wäre sie die Magd.
    Rosamund kam näher, und ihre Schwester verstummte auf der Stelle, maß sie mit hämischen

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