Das Mädchen mit den Teufelsaugen
das Tuch sogleich zu Boden, seufzte tief und schlug die Tür hinter der Magd wieder zu.
Und Rosamund lief weiter, mit einem Mal so fröhlich, dass ihr ein Lied in den Sinn kam. Ein Lied über den Frühling, über das Werden und Vergehen, über die Liebe, die Lust und den Tanz unterm Maienbaum.
Sie lachte über das ganze Gesicht, dass Falks Großmutter, die einen Eimer ausgeleert hatte, auf der Schwelle stehen blieb und fragte, was es Neues gäbe.
«Alles und nichts», rief ihr die Rosamund nach dem Gruße zu.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Manchmal stand Rosamund in ihrer Schlafkammer nackt vor dem Spiegel und betrachtete ihren Körper. Die Brüste apfelrund und genauso groß wie Matteos Hand. Sie strich darüber, schmiegte ihre Hand drum herum. Weich waren sie, warm. Die Brustwarzen, prall wie Kirschkerne und rot, standen hervor. Staunend stand Rosamund und betrachtete sich, als ob sie ein Bild sei, bei dem man umso mehr entdeckte, je länger man hinschaute. Ihre Taille war schmal, die Hüften schwangen sich in großem Bogen. Ihr Körper war der eines Weibes. Nichts fehlte daran, alles war da. Geschaffen zum Muttersein. Warum? Warum nur wurde ihr dieser dringliche Wunsch nicht erfüllt?
Eines Abends hob sich ihre Hand wie von selbst, legte sich warm und schützend über ihren Bauch, doch da war nichts, das ihren Schutz brauchte. Leer war ihr Inneres, so leer wie das Innere eines alten Weibes.
«Ich muss dir etwas sagen», sprach Matteo nach dem Abendessen, als sie vor dem kalten Kamin saßen bei offenem Fenster und den Duft der Apfelblüten rochen.
Matteo neigte den Kopf, lächelte sie an, doch Rosamund hatte Angst vor dem, was er sagen wollte.
Sie lächelte zaghaft zurück, legte die Hand auf ihren Bauch und sagte leise, aber so fest, als hätte sie den Satz schon hundert Mal gesagt: «Ich bin wieder nicht schwanger.»
Matteo runzelte die Stirn. «Wer sagt dir das? Der Medicus?»
Rosamund schüttelte den Kopf. «Nein, nicht der Medicus. Mein Körper sagt es mir.»
«Bist du dir sicher?»
Rosamund nickte. Seit Jahren hatte sie allen Erzählungen der Schwangeren gelauscht, hatte sich jedes Anzeichen, jede noch so kleine Veränderung gemerkt. Sie war sich so sicher, wie man nur sein konnte.
Matteo sah sie an, und Rosamund suchte in seinem Gesicht nach Bekümmerung. Nach einem absterbenden Lächeln, einem Dunkel in den Augen, gekräuselten Lippen, gehobenen Augenbrauen. Aber da war nichts. Ganz still war sein Gesicht und unbewegt wie ein zugefrorener See.
«Verstößt du mich nun?», fragte sie.
Matteo stand auf, trat zum Fenster, kehrte seinem Weib den Rücken zu.
«Verstößt du mich jetzt?», fragte sie wieder, schon mit Verzagtheit in der Stimme.
Da stieß er einen Schrei aus, wirbelte herum, zog Rosamund aus ihrem Armlehnstuhl und hielt sie fest an sich gedrückt, eine Hand auf ihrem Bauch.
«Ein Kind», flüsterte er. «Ein richtiges Menschenkind. Ein Bambino. Schön wäre das. Aber wenn uns diesesGlück versagt bleibt, so werden wir es nicht ändern können. Du bist mein Weib, ob mit, ob ohne Kind. Ich liebe dich so oder so. Sorgen macht mir nur eines: Wie kann ich dich glücklich machen. Weißt du, Rosamund, wie viele Nächte ich darüber gegrübelt habe? Wenn wir keine eigenen Kinder bekommen können, dann ist es eben so. Es gibt genug Findelkinder, die sich freuen würden, bei uns aufzuwachsen. Wenn du willst, so werde ich mich gleich morgen danach erkundigen.»
Rosamund spürte, wie ihr Mann zitterte. Nach einer Weile ließ er sie los, sah sie ernst an. «Mir ist heute wieder vorgeworfen worden, wir seien schuld an dem Unwetter. Ein Wirt aus Bornheim, dem ich die Schänke mit einem Bild verschönern sollte, hat mich weggeschickt.»
«Wenn wir zaubern könnten, dann hätten wir schon ein Kind. Warum wollen die Leute das nicht verstehen? Es heißt doch, der Teufel gibt den seinen, was sie ersehnen», erwiderte Rosamund fest.
«Wir müssen uns trotzdem vorsehen», erklärte Matteo, umfasste Rosamund. «Ich kann dich nicht den ganzen Tag beschützen. Ich habe Angst um dich.» Er atmete ganz tief ein, dann sagte er leise: «Ich will, dass du das Handlesebuch von der Tonia verbrennst. Nicht das geringste Zeichen von Hexerei dulde ich noch in unserem Haus. Es ist zu gefährlich.»
«Das Buch? Nein. Das gebe ich nicht her. Es ist alles, was mir von der Tonia geblieben ist. Handleserei ist keine Hexerei. Das weißt du ebenso gut wie ich.»
«Ich weiß es, du weißt es. Aber das reicht nicht.
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