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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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habe Mutter und Schwester zu lieben versucht, habe nicht geprasst, nicht gestohlen, kein falsches Zeugnis abgelegt. Ja, ich habe sogar die andere Wange hingehalten, und ein jeder hat die Gelegenheit genutzt, noch einmal draufzuschlagen. Was hat es mir gebracht? Die Teufelin blieb ich, nur, dass mich mancher plötzlich eine Heilige nannte. Aus Angst war ich gut, aus Angst und weil ich glaubte, ein jeder müsse gut sein. Nun ist es genug damit. Jetzt will ich die sein, die ich bin, will nichts mehr unterdrücken, mich nicht mehr verstellen.
    Und sie stand auf, nahm den Korb, ging auf den Markt. Es nieselte, das Pflaster der Straßen war glitschig. Die Milchfrau hatte sich einen Hut über die Haube gezogen, stand doppelt behütet, wetzte das Maul wie eh und je. «Habt Ihr gesehen, wie die Bürgersfrau meinen Käse betatscht hat?», rief sie der Nachbarin zu. «Die Finger sollen ihr abfaulen. Es hat gerade so ausgesehen, als wäre meine Ware nicht gut genug.»
    Die Nachbarin nickte, verglich mit Blicken ihre goldgelben Butterstücken mit den blassgelben der Milchfrau, schwieg dazu und seufzte.
    Als Rosamund vor dem Stand angekommen war, schrie die Frau ihr zu, sodass die Hüte bebten: «Kommt zu mir, bei mir erhaltet Ihr die beste Ware. Gute Butter, Käse, lange gereift, Milch, auf der das Fett oben schwimmt.»
    Rosamund trat an den Stand, besah die Waren.
    «Eurer Butter fehlt das Fett», sagte sie laut. «Das tragt Ihr auf Euren Hüften. Wenn Eure Butter so prächtig sattgelb leuchtet wie Euer Gesicht, dann kaufe ich bei Euch.»
    Die Milchfrau schnappte nach Luft, schoss dann einen Schwall Schimpfworte auf Rosamund ab, aber die kümmerte sich nicht darum, kaufte längst ein goldgelbes Butterstück bei der Nachbarin, lächelte dabei und fühlte sich gut.
    Sie ging weiter zwischen den Ständen umher, hatte die Kapuze ihres Umhanges hochgeschlagen, um dem Nieselregen zu entgehen. Rosamund kaufte duftendes Brot, geräucherte Wurst, ein paar Eier, Zwiebeln, einen Rindsknochen für die Suppe, Innereien für den Hund.
    Ihr Korb war vollgepackt, als sie durch die letzte Marktreihe schritt. Dort gab es Bänder, Seifen, Kämme, Nadeln, einfache Tuchwaren, billige Schafsfelle. Ein solches wollte sie für ihr Hündchen kaufen, das inzwischen gewachsen und ein Hund geworden war. Ein Fell, vor ihrem Bett für die Nacht, damit Bommel nicht fror und bei ihr sein konnte.
    «Wie viel?», rief sie einem jungen Mädchen mit blassem Gesicht zu. «Einen Viertelgulden», wisperte das Mädchen und hustete, dass es Rosamund in der Seele wehtat.
    «Ich gebe Euch das Geld. Nehmt das, was Ihr Euerm Herrn geben müsst, und kauft Euch von dem Rest einen Sirup von Thymian gegen den Husten.»
    Sie reichte ihr die Münzen, nahm das Fell, schritt weiter. Ich bin schon wieder gut gewesen, dachte sie. Es liegt in meiner Natur.
    Da sah sie von weitem die Schwester. Sie watschelte voran, blieb alle paar Schritte stehen, rang schwer nach Atem. Hinter ihr ging die Magd, bepackt wie ein Esel. Auch Ursula trug schwer an einem großen Tuchstück. Immer wieder rutschte ihr das Stück unter dem Arm hervor, drohte in den Schmutz zu fallen. Ursulas Gesicht war kirschrot.
    Rosamund beobachtete, wie die Schwester sich umsah, mit flatternder Stimme nach einem Träger rief, aber da war niemand. Die Männer hatten sich vor dem Regen unter die Torbögen geflüchtet.
    Ich sollte hingehen und ihr beim Tragen helfen, dachte Rosamund. Etwas in ihr drängte sie vorwärts zum Urselchen. Aber sie blieb stehen. Ich muss nicht mehr gut sein,dachte sie. Soll sich die Ursula doch abschleppen, dass ihr die Arme abfallen. Wenn das Tuch in den Dreck fällt, dann will ich lachen. Und wenn ich höre, sie hat das Kind zu früh bekommen wegen der Schlepperei, dann will ich mit den Schultern zucken und sagen: «Jeder, wie er es verdient.»
    Und so blieb sie stehen, sah der Schwester von weitem zu, wie sie da watschelte und keuchte. Erst als das Urselchen um die nächste Ecke gebogen war, trat sie hervor, ging hinter ihr her, ganz langsam und frisch im Gesicht, besah den schwankenden Hintern, die wippende Haube, welche sich die Ursel vom Kopf riss, kaum dass der Markt nicht mehr zu sehen war. Rosamund sah zu, wie sich die Schwester den Schweiß auf der Stirn abwischte, und dann die Brust, die wie Hefe aus dem aufgerissenen Mieder quoll, trocknete. Unter der Last schwankend, nach Luft ringend wie ein Karpfen an Land, erreichte die Schwester endlich das Elternhaus, stieß die Tür auf, warf

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