Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Wirdürfen den Leuten keinerlei Anlass zum Gerede geben. Wir sind nicht wie die anderen. Uns würde man so etwas nie nachsehen.»
Matteo schluckte, strich ihr über das Gesicht. «Verbrenne das Buch. Vorsicht ist besser als Nachsicht.»
Rosamund schob ihn von sich, funkelte ihn wütend an. «Glaubst du etwa auch, dass ich mit dem Bösen im Bunde bin? Dass ein zweiter Exorzismus nötig wäre?»
Matteo schüttelte den Kopf. «Nein, das glaube ich nicht. Aber es ist nun einmal so, dass die Leute etwas in uns sehen, das ihnen Angst macht. Und deshalb werde ich mich um das Böse kümmern. Ich werde einen Exorzismus machen, aber auf meine Art. Ich werde dafür sorgen, dass niemand mehr wagt, uns mit dem Bösen in Verbindung zu bringen. Nicht mit dem Teufel, nicht mit dem Zauberbuch des Benediktinerabtes aus Würzburg. Aber du musst das deine dazu tun. Verbrenne das Buch. Lies niemals mehr jemandem aus der Hand. Sag einfach, die Gabe wäre dir genommen, oder besser noch, du hättest diese Gabe nie gehabt.»
«Ich soll lügen? Soll mich selbst des Unrechts bezichtigen? Nein, das tue ich nicht.»
«Du musst. Denk darüber nach. Die Zeiten sind unruhig. Wir müssen Ruhe bewahren.»
Rosamund seufzte. «Gut», erklärte sie. «Ich tue, was du willst. Ich verbrenne das Buch. Aber du sorgst dafür, dass das Gerede über das Zauberbuch aufhört.»
Matteo nickte, nahm sein Weib wieder in den Arm, küsste ihre Stirn. «Ich schwöre, dass ich das Böse von unsnehmen werde. Ich schwöre dir bei meinem Leben, dass wir eines Tages eine richtige Familie sein werden.»
Die Dämmerung hatte das Zimmer verdunkelt, als Matteo seine Frau zu ihrem Stuhl geleitete. Sie lächelten sich an, berührten sich, waren jetzt im Einklang mit sich und dem anderen.
«Warum ist das so?», fragte Rosamund auf einmal in die friedliche Stille hinein. «Warum glauben die Menschen die merkwürdigsten Dinge? Wie kommt es, dass sie aus einer Teufelin eine Heilige machen, um kurz darauf die Dinge wieder herumzudrehen wie ein Kopfkissen?»
Matteo nahm ihre Hand. «Wir leben in einer schwierigen Zeit. Für die Menschen schwierig, meine ich. Alles ist im Umbruch, alles ist im Fluss. Was bisher Gültigkeit hatte, gilt über Nacht nicht mehr. Seit Luther die Thesen gegen den Ablass an die Wittenberger Schlosskirchentür geschlagen hat, hat sich alles verändert. Die Kirche, einst eine Festung, ist ins Schwanken geraten. Kriege um den rechten Glauben finden statt. Du weißt, wie es in Frankfurt zugegangen ist. Die Stadt untersteht dem Kaiser, und der hängt dem alten Glauben, dem katholischen an. Also müsste Frankfurt altgläubig bleiben. Doch das ist es nicht. Immer wieder werden Kirchen von katholisch zu lutherisch gemacht und eine Woche später wieder zurück. Niemand weiß mehr, welcher der rechte Glaube ist. Die Gewissheit, dass die Muttergottes ihre Hand schützend über uns hält, gilt nicht mehr. Du weißt selbst, wie oft die Heere durch die Stadt gezogen sind, weißt, wie oft die Stadt belagert wurde in den letzten Jahren. Auch jetztsteht ein sächsisches Heerlager vor Sachsenhausen, um für den neuen Glauben zu kämpfen.»
«Martin Luther als Marientöter?», fragte Rosamund.
Matteo lachte. «Wenn du es so willst. Wer aber weiß heute schon so genau, was richtig ist. Selbst die Existenz des Teufels wird in Frage gestellt, die Priester fühlen sich überflüssig und bangen um ihre Macht, seitdem gesagt wird, man bräuchte sie nicht mehr. Sie und die durch sie erteilte Vergebung der Schuld nicht mehr. All dies könnten die Menschen im direkten Gespräch mit Gott klären. Das klingt gut, das klingt leicht. Aber zu wem von uns hat Gott tatsächlich schon gesprochen? Die Menschen brauchen jemanden, der ihnen sagt, was gut und böse ist, welche Schuld vergeben und welche nicht. Die neue Kirche verweigert ihnen dies. Also greifen sie zu anderen Mitteln, glauben, was ihnen in den Sinn kommt.»
«Wie Johannes Trithemius.»
«Ja, genau. Der behauptet, Gott habe die Macht an sieben Dämonen abgegeben. Die Menschen glauben dies nur zu gern. So können sie alles, was ihnen nicht gefällt, was sie fürchten und nicht verstehen, den Dämonen zuschreiben. Viele meinen, der Teufel hätte Luther geschickt, um die Kirche zu spalten. Andere sagen, Luther sei gekommen, um den Teufel aus den Kirchen zu vertreiben. Niemand weiß mehr, was gut und richtig ist. Und keiner vermag es, einen einheitlichen Glauben zu erschaffen.»
«Und so glaubt jeder, was er für passend
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