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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Herrgottsfrühe an der Tür.
    «Was soll der Lärm?» Lisbeth wachte verärgert auf.
    «Ich gehe schon», erwiderte Ruppert und zog sich eine Jacke über. Als er die Treppe vom oberen Stockwerk hinunterkam, stand Tonia bereits im Flur. Sie trug dasselbe Kleid, das sie anhatte, als sie zum ersten Mal das Haus in der Weißbindergasse betreten hatte. Ihre Armreifen klimperten leise.
    Ruppert zog sie an sich, presste ihren schmalen Körper an seine breite Brust. «Wir machen nicht auf», flüsterte er. «Wir machen einfach nicht auf.»
    «Ihr wisst, dass es nicht geht», antwortete Tonia.
    Es klopfte wieder, und dieses Mal so heftig, dass das Türblatt bebte.
    Tonia wand sich aus Rupperts Armen. «Wir sehen uns wieder», sagte sie leise. «In unseren Träumen werden wir uns begegnen.» Dann riss sie sich ein billiges Kettchen vom Hals mit dem Anhänger der heiligen Elisabeth vonThüringen. «Hebt es auf für Rosamund. Vielleicht wird sie es einmal brauchen.»
    Dann atmete sie tief ein und öffnete die Tür.
    Draußen standen zwei Büttel. Einer hielt einen Knüppel, der andere einen Strick.
    «Tonia Zigeunerin?», fragte der eine Büttel.
    «Ja, das bin ich.»
    Hinten im Haus auf der Treppe wurden Schritte laut. Lisbeth, gehüllt in einen Umhang, schlurfte heran, schob Tonia beiseite. «Was wollt Ihr Knechte von meiner Magd?», blaffte sie. «Ich bin ihre Herrin. Wenn etwas ist, so müsst Ihr zuerst mit mir sprechen.»
    Der Büttel, der den Strick in der Hand trug, räusperte sich, holte aus einer ledernen Hülle ein zusammengerolltes Pergament. «Sie muss mit zum Malefizamt.»
    «Und weshalb? In der Küche steht kein Frühstück auf dem Tisch, der Herd ist nicht geheizt, ein Teil der Wäsche noch in der Bleiche. Wer soll das alles besorgen, wenn Ihr sie mitnehmt?»
    «Sei still jetzt, Weib. Hier spricht das Gesetz, dem auch du dich zu beugen hast.»
    Lisbeth ließ sich so schnell nicht kleinkriegen. «Weswegen Ihr den Tölpel von der Arbeit wegholt, will ich wissen!»
    Tonia stand ein Stück hinter Lisbeth. Sie war blass bis in die Lippen. Ruppert streichelte unbemerkt von Lisbeth ihren Rücken.
    Der Büttel entfaltete das Pergament, zeigte das Siegel vor, dann las er: «Tonia Zigeunerin wird beschuldigt derZauberei zum Nachteil der Gudrun Weberin, Weib des Tuchmachergesellen Wolfgang Weber. Die Weberin hat dabei ihr Leben lassen müssen.»
    «Wer behauptet so etwas?» Ruppert hatte sich vor seine Frau geschoben.
    «Es gibt eine Zeugin, eine ehrbare Frau von gutem Ruf und aus anständigem Hause, die regelmäßig den Gottesdienst besucht und einem ordentlich eingetragenen Handwerk nachgeht. Zudem zwei angestellte Mägde ohne Bürgerbrief, aber mit gut beleumundeten Herrn.»
    «Und was sagt diese ehrbare Frau? Was sprechen die Mägde?»
    Der Büttel rollte das Pergament weiter auf. «Dass die Tonia Zigeunerin in aller Öffentlichkeit auf dem Markt die Gudrun Weberin verhext hat. Mit der Schuhspitze hat sie ein Kreuz auf den Boden gemalt und dazu die Augen verdreht, die Zähne gefletscht und Flüche ausgestoßen. Auch ein von der Stadt besoldeter Marktaufseher hat es gesehen. Zudem ist die Tonia Zigeunerin ein unehrliches Weib ohne Stand und Brief, mit üblem Leumund und dem Gericht in Frankfurt nicht unbekannt.»
    Der Büttel rollte das Papier zusammen. «Was wollt Ihr noch, Bürger?»
    Ruppert schwieg. Seine Schultern hingen noch tiefer als sonst, der Nacken war gebeugt. Tonia drängte sich an ihm vorbei, trat vor den Büttel und hielt ihm beide Hände hin.
    «Und wer heizt jetzt den Herd? Wer besorgt die Wäsche und den Haushalt?», schrillte Lisbeth.
    Während der eine Büttel einen derben Strick um ToniasHandgelenke wand, schob sich der andere zu Lisbeth vor. Er hob die rechte Hand und drohte ihr mit dem Zeigefinger. «Weißt du nicht, vorlautes Weib, wie du der Obrigkeit zu begegnen hast? Du warst es, die dem Miststück da» – er wies auf die gebundene Tonia – «Obdach gegeben hast. Vielleicht wusstest du ja von der Zauberei der Zigeunerin?»
    Lisbeth schrak zurück. «Aber nein, ehrenwerter Stadtknecht. So wahr mir Gott helfe, von den Machenschaften der Frau haben wir nichts gewusst.»
    Sie stutzte einen Augenblick, dann stieg eine leichte Röte in ihre Wangen. Sie winkte den Büttel zu sich. «Im Gegenteil. Bezeugen kann auch ich, wie böse dieses Weib ist. Als ich niederkam, da war sie in meinem Hause, jawohl. Gemurmelt hat sie. Was, das kann ich heute nicht mehr sagen. Aber grauslich hat sich’s angehört.

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