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Das Mädchen: Roman (German Edition)

Das Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Klüssendorf
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Straßen und sucht nach einem Nachtquartier. Sie entscheidet sich für ein Abrisshaus, die zerbrochenen Fensterscheiben sind mit Holzbrettern vernagelt, Tapeten hängen in Fetzen herunter, überall Schimmel, doch es liegt ruhig, zurückgesetzt am Ende einer Straße. Es erscheint ihr wie eine Zufluchtsstätte, zumindest für diese Nacht.

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    25
    Sputnik hat auf Usedom eine Ferienarbeit für sie organisiert. Als sie am späten Abend eintrifft, zeigt Sputnik ihr das Restaurant, wo sie in der Küche arbeiten werden. Das Restaurant ähnelt dem ihres Vaters, vor dem Fenster hängen sogar orangefarbene Gardinen. Dann gehen sie ans Meer, laufen aufgeregt am Strand entlang, der Sternenhimmel hängt tief, zum Greifen nah.
    Am nächsten Morgen erwacht sie in einem erbärmlich stinkenden Zimmer. Sie sieht eine alte Frau breitbeinig mit erhobenem Rock auf dem Teppichläufer stehen und pissen. Das macht sie jeden Morgen, erzählt Sputnik, sie wird die Seche genannt, niemand kann sie abhalten, auf den Teppich zu pissen. Seche kommt von Sechen, klärt Sputnik sie auf, Pissen auf Sächsisch.
    Nach dem Frühstück sieht sie die alte Frau auf dem Hof sitzen, auf dem Tisch vor ihr liegt ein Berg toter Fische. Sie wirft einen Fisch nach dem anderen, gereinigt und ausgenommen, in eine blaue Plastiktonne, silberne Schuppen segeln durch die Luft.
    Der Koch ist Sachse. Er spricht im breiten Dialekt, sein Lachen klingt wie ein Knurren und hallt den ganzen Tag durch die Küche. Er scheint sie zu mögen, denn während Sputnik abwaschen muss, darf sie kalte Platten anrichten. Sie gibt sich Mühe, möchte ihn nicht enttäuschen, verzichtet sogar auf die Zigarettenpause, abends fällt sie müde ins Bett, vom scharfen Uringeruch der Seche eingehüllt.
    Es gibt einen Kellner, der sie auch zu mögen scheint, doch anders als der Koch. Die Zigarettenkippe hängt ihm im Mundwinkel, wie bei ihrem Vater, nachlässig, als wäre ihm alles egal. Er schnalzt mit den Fingern, als sie an seiner offenen Tür vorbei über den Hof geht. Er fragt sie, ob sie ihm helfen kann, sein Jackett auszubürsten. Während sie mit der Kleiderbürste über den Stoff streift, dreht er sich vor ihr mit ausgebreiteten Armen. Seinem Körper haftet ein süßlich strenger Geruch an, Rasierwasser, Schweiß, oder riecht der Fischkadaver vom Hof ins Zimmer hinein? Er schließt die Tür, nimmt ihr die Bürste aus der Hand, dann beugt er sich zu ihr, öffnet ihren Mund mit seiner Zunge. Seine Küsse schmecken scheußlich, nach vergorenem Atem, und doch spürt sie eine Erregung, als sie sich von ihm losmacht. Geht sie in den nächsten Tagen an seiner Tür vorbei, lacht sie laut und wild, fühlt sich erhitzt, größer und weicher.
    Als der Koch sie einmal in die Speisekammer schickt, entdeckt sie in einem Regal Büchsen mit Ölsardinen und Thunfisch, Pfirsichhälften in Gläsern, lauter rare Delikatessen. Sie ist fasziniert von den Ölsardinenbüchsen, die mit ihren zarten blassgrünen und blaugrauen Schriftzügen wie kleine Kunstwerke wirken, sie steckt sich eine Büchse in die Kittelschürze. Sie macht sich nichts aus Fisch, und doch hat sie schon bald unter ihrem Bett ein ganzes Lager von Ölsardinenbüchsen. Dann aber erwischt der Koch sie beim Klauen einer Büchse und stellt sie so wütend zur Rede, dass sie zuerst glaubt, es wäre ein Scherz. Es ist nur eine Fischbüchse, versucht sie sich zu verteidigen, doch der Koch nennt sie eine hinterhältige Diebin, seine Stimme bebt, er nimmt ein Tablett mit schmutzigem Besteck und wirft es laut krachend in das Spülbecken. Von weit her hört sie die Stimme ihres Vaters, ich als Mensch, würde er sagen, und er würde diesen Satz auch irgendwie zu Ende bringen.
    Nachts schleppt sie ihre mit dem Diebesgut gefüllte Reisetasche in den Wald und vergräbt alle Büchsen in der Erde. Sie hatte vor, die Fischbüchsen ihrer Mutter zu schenken, doch wie es aussieht, werden die Ölsardinen nun im Wald verrotten.
    An ihrem letzten Abend schwimmt sie im Meer dem Horizont entgegen. Es ist warm und windstill, sie dreht sich auf den Rücken und lässt sich treiben, sieht die Sterne weit oben am dunklen Himmel. Sie stellt sich vor, sie würde auf den Meeresgrund sinken, sich dort mit aller Kraft abstoßen, durch das Wasser schwungvoll nach oben schnellen, und dann würde sie wieder auftauchen, wie neu, als wäre ihr nie etwas passiert.

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    26
    Verschlafen stapft sie frühmorgens mit den anderen Lehrlingen in Gummistiefeln über die

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