Das Maedchen und der Luegner
großes Holztor, das weit geöffnet war, und dann f uhren sie vorbei an herrlichen Blumenrabatten, die gerade erst anfingen zu blühen, bis vor den feudalen Eingang zu dem prächtigen Gutshaus.
Eine breite Freitreppe führte hinauf zu der schmiedeeisernen Haustür, die rechts und links flankiert wurde von zwei großen sorgfältig geschnittenen Buchsbäumen in großen Holzkübeln.
»Das ist Dreieichen?« Tanja war überwältigt. Sie konnte sich gar nicht satt sehen an dem herrlichen Bild, das sich ihr bot. Ohne auf Max' Aufforderung zu warten, sprang sie aus der Kutsche und blickte sich um. »Der Park gehört auch dazu?« rief sie, ohne auf den Mann zu achten, der mitten in einer Blumenrabatte stand und ihr den Rücken zuwandte.
Max griff nach ihrer Reisetasche und betrachtete einen Augenblick lang das junge Mädchen, das sich noch immer staunend umschaute. »Sollten wir nicht nach drin gehen?« unterbrach er nach einer Weile ihre Versunkenheit.
»Sie haben ja recht, Max« Enttäuscht wandte sich Tanja zu ihm um. »Übrigens, ist der Mann dort der Gärtner? Davon haben Sie mir gar nichts erzählt. Alle Angestellten des Hauses haben Sie erwähnt, aber den Gärtner haben Sie vergessen.« Lachend drohte sie ihm mit dem Zeigefinger.
Max grinste. Gerade wollte er den Irrtum richtigstellen, sagen, dass Dreieichen überhaupt keinen Gärtner hatte, sondern dass alle Anlagen vom Hausherrn persönlich gepflegt wurden.
Doch Severin von Tarltons Anweisung kam ihm plötzlich wieder in den Sinn. Deshalb beschloss er, die Bemerkung ganz einfach zu übergehen.
»Kommen Sie, Tanja. Frau von Tarlton wartet. Ich denke, wir sollten sie nicht länger auf die Folter spannen. Immerhin verspricht sie sich eine ganze Menge von Ihnen, und ich hoffe, dass Sie sie nicht enttäuschen werden.«
»Gewiß nicht.« Tanja lächelte glücklich. »Wenn Frau von Tarlton nur halb so freundlich ist, wie diese Umgebung hier aussieht, dann kann eigentlich gar nichts schiefgehen. Ach, Max, halten Sie mir die Daumen, dass sie mich mag. Ich würde so gern bleiben. Es ist ein wunderbares Fleckchen Erde.«
Wieder wanderte ihr Blick zu dem Mann, der sich noch immer intensiv mit der Rosenrabatte zu beschäftigen schien. »Der Mann ist bestimmt Gärtner mit Leib und Seele«, stellte sie fest. »Ich kann mir vorstellen, dass mir diese Arbeit ebenfalls Spaß machen würde. Ob ich einmal zu ihm hinüberlaufe und ihm guten Tag sage?«
Max verbiss sich ein Lachen. Er winkte ab. »Das würde ich nicht tun«, versicherte er ihr. »Ich glaube nicht, dass er erfreut wäre, wenn Sie ihn bei seinem Gespräch mit den Pflanzen stören.«
»Er spricht mit den Pflanzen?«
»Nun ja«, schränkte Max ein, »manchmal hat es jedenfalls den Anschein. Doch nun kommen Sie bitte.«
Oben am Ende der Freitreppe wartete bereits eine ältere, ziemlich korpulente Frau auf sie. Ihr mütterliches Gesicht wurde erhellt von einem freundlichen Lächeln. Begeistert begrüßte sie den Neuankömmling und stellte sich als Berta vor.
Tanja hatte das Gefühl, als würde sie Berta schon lange kennen. Ganz gegen ihre Gewohnheit schloss sie die mütterliche Frau spontan in die Arme und stellte beglückt fest, dass ihre Umarmung erwidert wurde. »Ich hoffe, wir werden gute Freunde«, sagte sie leise.
Berta schob die junge Frau ein wenig von sich. »Das wird schon klappen«, meinte sie zuversichtlich. »Nur muss ich Ihnen leider sagen, dass Frau von Tarlton sich etwas hingelegt hat. Sie war müde, nachdem sie letzte Nacht kaum geschlafen hat. Ich glaube, Ihre Ankunft erregt sie mehr, als sie eingestehen will.«
»Es geht ihr doch hoffentlich gut?« fragte Tanja besorgt.
»Es ist alles in Ordnung«, tröstete Berta sie. »Ich hoffe nur, Sie sind nicht allzu enttäuscht, wenn Sie Frau Tarlton erst morgen kennenlernen. Sicher werden Sie ebenfalls müde von der weiten Reise sein.« Sie gab Max Anweisung wegen des Gepäcks.
»Ich werde Sie am besten gleich nach oben in Ihr kleines Appartement bringen«, fuhr sie fort. »Herr von Tarlton hat ein hübsches Zimmer mit Bad und Kochnische für Sie herrichten lassen. Ich hoffe, es wird Ihnen gefallen. «
Tanja nahm ihre Reisetasche, die Max auf die Treppe gestellt hatte, und folgte Berta, die etwas schwer atmend bereits die feudal eingerichtete Halle durchquerte und die breite Holztreppe ansteuerte.
»Kommen Sie, Tanja, ich habe nämlich einen Kuchen im Backofen. Eigentlich sollte er zu Ihrer Ankunft fertig sein, doch ich habe es einfach nicht
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