Das Maedchen und der Luegner
Frühling zu genießen, der jetzt in voller Blüte stand.
Erfreut wurde er von Toby, dem getigerten Kater, begrüßt, der offensichtlich seine Brautschau beendet hatte. Seit Tagen bereits lag er meist in der Sonne und wartete nur darauf, dass irgendein Hausbewohner kam und ihn streichelte.
»Na, du Casanova«, begrüßte Severin ihn freundlich. Er neigte sich zu dem Tier hinab und kraulte es am Kinn. Toby schnurrte so genießerisch, dass seine Barthaare zitterten. Severin registrierte es lächelnd.
Als er leichte Schritte hinter sich hörte, richtete er sich wieder auf. Er entdeckte Tanja, die mit verträumtem Blick den Weg entlangging und sich offensichtlich alles genau betrachtete.
Hastig trat Severin ein paar Schritte zurück und hoffte, dass sie ihn nicht entdecken würde.
Er beobachtete sie unbemerkt und wunderte sich, dass sein Herz plötzlich heftiger zu pochen anfing. Voller Bewunderung wanderte sein Blick über ihre wohlgeformte Gestalt, ihre langen, schlanken Beine und wanderten dann wieder nach oben zu dem langen Haar, das weit über ihre Schultern herabfiel.
Lediglich ihr Gesicht konnte er nicht genau erkennen. Er stellte nur fest, dass sie wirklich so hübsch aussah, wie Max es ihm geschildert hatte.
Als Tanja ganz in seiner Nähe war, trat er aus dem Schatten hervor und tat so, als würde er zufällig ihren Weg kreuzen. Er nickte ihr kurz zu, grüßte etwas unwirsch und war dann vorbei.
Wie vom Blitz getroffen, blieb Tanja stehen. Narrte sie ein Spuk? War er es wirklich gewesen? Oder hatte sie am Ende alles geträumt?
Würde sie gleich aufwachen und sich in ihrer kleinen Wohnung befinden beim Ehepaar Wollner?
»Kneif dich in den Arm«, sagte sie zu sich selbst und schrie vor Schmerz leise auf, als sie der Aufforderung nachkam, die sie sich selbst gegeben hatte. Es war alles Wirklichkeit - das herrliche Haus, der wunderschöne Park und ... vor allem der Mann - der Mann ihrer Träume!
Ja, er war es gewesen. Sie konnte sich nicht geirrt haben. Es war der Mann aus dem Fernsehen. Und wenn er es nicht war, dann hatte er jedenfalls eine große Ähnlichkeit mit ihm. Vielleicht waren sie ja Brüder.
Wie betäubt ging Tanja ein paar Schritte, folgte dem Fremden, blieb dann jedoch stehen, weil sie nicht aufdringlich erscheinen wollte. Sicherlich würde sich irgendwann einmal wieder eine Gelegenheit ergeben, ihn von der Nähe ansehen zu können.
Und dann würde sich entscheiden, ob er es war oder nicht. Tanja hoffte, dass sie ihn gefunden hatte. Und doch gestattete sie sich auf einmal keine Träume mehr.
Sie hatte Angst, enttäuscht zu werden. Deshalb lief sie wenig später ins Haus zurück und in ihre kleine Wohnung. Doch in dieser ihrer ersten Nacht auf Gut Dreieichen schlief Tanja sehr schlecht. Zu viele Gedanken hielten sie wach, verwirrten und bewegten sie . Und mittendrin war dieser Mann, ernst und fleißig, offensichtlich ein Pflanzenfreund, ein Naturbursche. So hatte er jedenfalls ausgesehen. Dazu diese tiefblauen Augen, in denen man versinken konnte wie im Ozean. Einfach nur versinken und alles vergessen …
***
»Ich bitte dich, Severin, das sind doch Kindereien!« Lavinia von Tarlton bestrich sich seufzend ein frisches, knuspriges Brötchen mit Butter. »Wie lange willst du diese Geschichte denn aufrechterhalten Ich meine, wir können nicht ewig erzählen, dass du dich auf einer geschäftlichen Reise befindest. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass Tanja es als groben Vertrauensmissbrauch betrachtet, wenn sie eines Tages die Wahrheit erfährt. Überlege gut, was du tust, Severin.«
Der Mann grinste und warf Berta, der ältlichen Haushälterin, einen verschwörerischen Blick zu.
»Was sagen Sie, Berta? Ist meine Idee nicht fabelhaft? Auf diese Weise kann ich die junge Dame gewiß besser kennenlernen, als wenn ich mich gleich mit dem richtigen Namen vorstelle.«
Berta zuckte die Schultern, und ihr gutmütiges Gesicht drückte mindestens ebenso viel Missfallen aus wie das von Lavinia von Tarlton.
»Ich weiß nicht, ob es richtig ist, aber das müssen Sie selbst wissen. Es ist ganz allein Ihre Entscheidung. Wenn Sie möchten, dass wir Sie als den Gärtner Severin behandeln, dann werde ich es selbstverständlich tun.«
»Was ihr nur immer habt!« brauste der junge Mann auf. »Ich tue doch nichts Unrechtes. Ich bat euch lediglich , der jungen Dame nicht direkt auf die Nase zu binden, wer ich bin. Die ganze Geschichte kommt mir nämlich etwas seltsam vor. Wie ihr wisst, war
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