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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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keinen Gefallen mehr tun, Oldesloe! Ich male den Totentanz zu Ende, denn dafür habt Ihr mich bezahlt. Danach sind wir geschiedene Leute«, schloss Notke mit vor Wut bebender Stimme.
    »Wollt Ihr das wirklich, Meister Notke?«, fragte der Ratsherr leise. »Ihr solltet Euch wohl überlegen, mit wem Ihr es Euch verscherzt.« Er trat nahe an den Maler. »Ich habe Euch hier in Lübeck einen Anfang ermöglicht. Aber genauso gut kann ich Eurer Karriere ganz schnell wieder ein Ende setzen. Ihr werdet in der ganzen Hanse als Pfuscher und Preller bekannt werden. Niemand wird Euch mehr einen Auftrag geben. Reißt Euch zusammen, Mann! Ihr habt uns einen Eid geschworen!«
    »Ich fühle mich nicht an Euch gebunden, Oldesloe! Ihr dreht und wendet die Worte der Menschen, wie es Euch gefällt.«
    »So? Dann hört mir mal genau zu, Meister, denn Folgendes werde ich nicht verdrehen: Wer nicht zu uns steht, gilt als Verräter. Mann, geht in Euch! Wir brauchen Euch, Notke!«
    »Vier Drohungen an einem Tag, Ratsherr. Überanstrengt Euch bloß nicht!«, erwiderte Notke trocken.
    Oldesloe lachte leise auf. »Wenn ich Euch drohen wollte, Bernt, würde ich anders vorgehen. Dann würde ich Euch fragen, ob Ihr das Risiko eingehen wollt, nachts einsam im Straßendreck zu krepieren. Ein unschöner Tod, habe ich mir sagen lassen.«
    Der Maler fühlte, wie sein Mund trocken wurde. Hatte Oldesloe gerade angedeutet, er könne wie von Calven enden? Aber war dessen Tod nicht ein Unfall gewesen?
    »Denkt darüber nach, Notke. Macht Euch nicht unglücklich!« Oldesloe wollte sich schon abwenden, um zu gehen. Doch der Maler würde ihm nicht das letzte Wort überlassen. »Ich will mit Euren Machenschaften nichts mehr zu tun haben. Lasst mich in Ruhe!«
    Der breite Mann drehte sich halb um, musterte Notke von oben bis unten, dann nickte er. »Ihr habt es so gewollt«, sagte er leise und ging. Und Notke bemerkte, dass dies gerade die sechste Drohung am heutigen Tage gewesen war.
    Der Maler hatte nicht übel Lust, seinen Schädel gegen einen Baum zu rammen. Wie dumm er gewesen war! Wie leichtgläubig! Wie geschmeichelt, dass der reiche und einflussreiche Anton Oldesloe ausgerechnet ihn zu seinem Freund und Vertrauten ernannt hatte. War deswegen ein Auswärtiger mit der Arbeit am Totentanz beauftragt worden? Weil alle anderen die Spielchen des Anton Oldesloe zu gut kannten? Er atmete tief durch. Mit der Bruderschaft war er fertig. Doch wenn er gegen sie bestehen wollte, dann brauchte er Hilfe.
    Doch wer würde ihm noch helfen können? Wer würde ihm nun noch helfen wollen ? Oldesloe war sein Gönner gewesen, der mit viel Geschick darauf geachtet hatte, dass er und seine Seilschaft Notkes Leben bestimmten. Nicht einmal die Zutaten für die Farben hatte er selbst einkaufen dürfen! Und die einzige Person, die ihm hätte helfen können, saß zu Hause eingesperrt und harrte der Pest. Marike Pertzeval hatte versucht, ihn vor Lynow und seiner Bruderschaft zu warnen. Die junge Frau wusste offenbar mehr über deren Machenschaften als er. Sie hatte nur nicht wissen können, dass Oldesloe der eigentliche Kopf des ganzen Komplotts war.
    Notke legte die Stirn in Falten. Die Jungfer Marike hatte empfohlen, er möge zur Beichte gehen, wenn er mehr über ihre Warnung erfahren wollte. Zur Beichte gehen? Wohl eher zum Beichtvater. Er nahm einmal an, dass sie in die Marienkirche ging. Die Beichten wurden früher in der Kapelle abgehalten, in der nun der Totentanz stand. Bis sein Bild fertig war, waren die Beichtväter in die Schläferkapelle direkt daneben gezogen.
    Bernt Notke machte sich auf, hinunter zum Burgtor, das ihn zurück in die Stadt bringen würde. Marike hatte ihm etwas mitteilen wollen, ohne dass es ihr Vater und der Kaplan Martin mitbekommen sollten. Das bestätigte Notkes starken Verdacht, dass Martin der Pater der Blasiusbruderschaft war – die Statur und die helle Stimme könnten auf den Priester passen, der ihm den Eid abgenommen hatte. Sie hatte ihm ihren Beichtvater empfohlen. Doch welcher von den in Sankt Marien tätigen Priestern war das? Notke war sicher, sie hatte den Namen schon erwähnt, doch er erinnerte sich nicht mehr daran.
    Die Verantwortung für die Beichtkapelle trug Domherr Nikolaus. War also dieser Domherr der Vertraute Marikes, an den er sich wenden sollte? Er wusste es nicht. Notke trat durch das gewaltige Burgtor und hastete die Straße hinunter, die ihn am Heiligen-Geist-Hospital und Sankt Jakobi vorbei zur Marienkirche bringen würde.

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