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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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ermutigt.«
    Stirnrunzelnd sah Notke den Ratsherrn an. Er wollte Marike um seinetwillen gewinnen, nicht durch einen Kuhhandel. »Versteht mich nicht falsch, Meister Oldesloe. Natürlich will ich gerne für die Bruderschaft tun, was ich kann. Doch blind Lynows Aufgaben übernehmen, das kann ich nicht. Er wird sich jetzt sicher auch mehr um sein Seelenheil sorgen als noch vor ein paar Tagen.«
    »Bernt Lynow muss sich keinerlei Sorgen um sein Seelenheil machen, Herr Notke.« Oldesloe lächelte breit. »Das letzte Dokument des verschiedenen Bischofs war ein Großer Ablass, der die ganze Bruderschaft von ihren Sünden freigesprochen und sämtliche noch zu begehende mit eingeschlossen hat. Dieser Ablass gilt noch bis Mariä Himmelfahrt. Und er gilt auch für Euch.«
    Notke wusste nicht, was er sagen sollte. Natürlich hatte auch er eine gehörige Gottesfurcht. Auch er sorgte sich darum, was nach dem Tod mit seiner Seele geschehen würde. Und er war überzeugt davon, dass ein Mensch für seine Sünden büßen konnte. Doch ein Blatt Papier kaufen, das die Unterschrift eines windigen Bischofs trug, und alles war gut? Notke hätte Oldesloe nicht für so leichtgläubig gehalten. »Das ändert nichts, Herr Oldesloe.«
    Mit einem Mal zeigte sich, dass Oldesloe sehr wohl flüstern konnte, wenn er wollte. Notke stellten sich die Nackenhaare auf. »Meister Notke, wir haben so viel für Euch getan! Wir haben Euch den Auftrag in der Marienkirche gegeben. Wir haben Eure Lizenz als Freimeister gegen die Malerzunft durchgesetzt...«
    »Was wollt Ihr damit sagen, Ratsherr?«, fragte er gepresst. Wollte Oldesloe dieselben Methoden anwenden wie Lynow vor wenigen Tagen?
    »Nur, dass es langsam an der Zeit ist, sich zu revanchieren, findet Ihr nicht?«
    »Sonst was? Zieht Ihr denn meine Lizenz zurück, bevor ich das Bild fertig gemalt habe?«
    »Wohl kaum«, brummte Oldesloe zustimmend. »Eigentlich sollte der Totentanz längst vollendet sein. Euer Auftrag ist wichtiger, als Ihr denkt. Ihr müsst Euch eilen! Spätestens zu Mariä Verkündigung soll er der Kirche offiziell übergeben werden. Meint Ihr, das sei zu schaffen?«
    Notke zuckte mit den Schultern. Bis dahin waren es noch acht Tage. »Wenn Ihr meinen Gehilfen nicht wieder vergiftet.«
    Oldesloe starrte ihn kurz an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus und hob ergeben die Hände. »Gut gesprochen, Meister! Euer Gehilfe gehört ganz Euch. Nüchtern und arbeitsfähig.« Dann senkte er die Stimme wieder. »Und ich kann Euch nicht davon überzeugen, der Bruderschaft aus freien Stücken zu dienen? Immerhin haben wir Ziele, die erreicht werden müssen. Durch manche dieser Ziele haben wir Gegner, die uns die Pläne durchkreuzen wollen. Und um das zu verhindern, brauchen wir Männer wie Euch.«
    »Gegner?«, fragte Notke erstaunt. Wer sollte eine religiöse Bruderschaft behindern wollen? Und warum? »Ziele?«
    Oldesloe ging auf seine Fragen nicht ein. »Lasst mich einfach sagen, dass es Leute gibt, die uns hinterherschnüffeln, um uns zu beeinträchtigen oder gar zu verleumden.« Notke musste bei Oldesloes absichtlich vage formulierter Antwort sofort wieder an Marikes Warnung denken. War sie Teil dieser Opposition? Versuchte der alte Pertzeval etwa, Oldesloe in die Suppe zu spucken? Das würde immerhin die Rivalität der beiden Kompagnons erklären. Vielleicht konnte er den Ratsherrn ein wenig aushorchen. Notke verbarg seine Sorge und hielt seine Stimme ruhig. »Was unternehmt Ihr deswegen?«
    »Wir sehen zu, dass sie uns keinen Schaden zufügen können. Auch wenn sich das manchmal schwierig gestaltet. Wenn Gefühle im Wege stehen, können sich manche Leute nicht dazu durchringen, das Nötige zu tun.«
    Die Worte Oldesloes sickerten nur langsam in Notkes Verstand ein. »Das Nötige tun« – das klang unheilvoll. Dabei fiel ihm die Formulierung ein, die Oldesloe eben noch benutzt hatte – dass Notke der Bruderschaft nicht aus »freien Stücken« dienen wolle. Man würde ihn also zwingen, wenn er die Bitten der Bruderschaft nicht erfüllte.
    Doch die Ereignisse enthoben Bernt Notke einer Antwort. Auf dem Hochgericht hatte der junge Kaplan seine Pflicht erfüllt und dem Verurteilten die Letzte Ölung erteilt. Der Priester trat zurück, um dem Scharfrichter Platz zu machen. »Höret, höret, höret!«, rief der Mann nun, rollte ein Pergament aus und verlas das Urteil des Lübecker Hochgerichts. Notke verstand kaum etwas, denn der Junge unter dem Galgen hob darüber wieder an zu wimmern.

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