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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Hammer drang tief in seinen Kopf.

KAPITEL 11
    N och gestern hatte Marike Pertzeval um ihren Vater gebangt und war nicht von seiner Seite gewichen. Sie hatte auch den beiden Knechten befohlen zu bleiben, denn zumindest der starke Hinrich konnte im Zweifelsfall einen Angreifer abwehren. Frederik würde vermutlich nur im Weg herumstehen, doch je mehr Zeugen, desto sicherer wäre Johannes Pertzeval. Sonst fiel ihr kein Mittel ein, wie sie den Vater hätte schützen können.
    Marike beschäftigte sich an diesem Morgen mit häuslichen Dingen und warf ab und an einen sorgenvollen Blick durch die Diele zur Schreibkammer des Vaters. Dieser hatte sich in seiner Dornse verschanzt und war nur zu wenigen Gelegenheiten hervorgekommen. Sie steckte ab und an den Kopf zu ihm hinein, um zu sehen, ob es ihm gut ginge, und erwischte ihn meist beim sorgfältigen Schreiben mit Tinte und Feder. Diese Arbeit wurde oft von Flüchen und abgebrochenen Kielen begleitet. Das letzte Mal hatte er auf Papier geschrieben, als er sein Testament vom Notar hatte besiegeln lassen. Es schien beinahe, als wollte er die Zeit, die ihm noch verblieb, so gut ausnutzen, wie es ihm die Kraft gestattete. Die letzte Pest hatte ihn seine geliebte Frau gekostet. Marike mochte sich nicht ausmalen, was in ihm vorging.
    Gerade eben hatte ein Bote die Nachricht vom Tod des jungen Kaufmanns Prütz aus dem Hause Oldesloe gebracht, und Marike dankte dem Herrn. Natürlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, wie froh diese Botschaft sie machte, denn der Tod des Mannes war zu bedauern. Doch sie war überglücklich, dass keine Gefahr mehr für ihren Vater bestand. Endlich konnten sie wieder hinausgehen – und das würden sie auch müssen, denn Marike würde den Vater später noch ins Haus Oldesloe begleiten, um von dem dort aufgebahrten Toten Abschied zu nehmen. Immerhin war der Geselle ja ein Teil des dortigen Haushaltes gewesen. Marike entging zwar nicht die Ironie, Oldesloe ihr Beileid zu einem Verlust auszusprechen, in den er selbst verwickelt war, doch so gehörte es sich nun einmal. Sie durfte dem Ratsherrn nicht zeigen, dass sie einen Verdacht gegen ihn hegte.
    Draußen ertönte das Krächzen der großen Krähen auf dem Baum im Hof. Marike erschauerte unwillkürlich und eilte zu den Fenstern, um hinauszuspähen. Sollte sie auch hier unten die Läden schließen? »Behaltet euer Pech nur für euch, Unglücksraben!«, schimpfte sie. »Wir wollen euch hier nicht!«
    Sie blickte in den Innenhof und seufzte. Wenn sie sich doch nur gegen die Zeit stemmen könnte, damit sich niemals etwas änderte! Niemand müsste sterben, und niemand zurückbleiben, um die Toten zu betrauern.
    Notkes Entdeckung, was die merkwürdigen Todesfälle anging, wies in Richtung des Domherrn Nikolaus. Pater Martin hatte mehr über den Flötenspieler herausfinden wollen und war dann gestorben. Dem Fron kam der ortsfremde Maler gerade recht, um sich keinen Ärger mit den Mächtigen einzuhandeln. Marike ballte die Fäuste. Sie ahnte nun, wie sich Leute fühlen mussten, die nicht so viel Geld und Einfluss besaßen wie ihr Vater. Wo blieb da die Gerechtigkeit? Warum hatte der Herrgott ein Reich geschaffen, in dem sich niemand um das Wohl der anderen scherte, sondern sich stets nur um das eigene Heil kümmerte?
    »Marike?«, hörte sie ihren Vater schwach rufen.
    »Ich komme schon!« Sie nahm sich vor, jetzt, da die Gefahr für den Vater vorüber war, weiterzuforschen – und zwar beim Domherr Nikolaus, der tief in die Todesfälle verwickelt war. Sie musste den Mann zum Reden bewegen.
    Als sie in die Dornse trat, saß der Vater krumm über dem Schreibpult und rieb sich die Nasenwurzel. »Ich denke, wir sollten nicht zu Oldesloe gehen. Ich habe noch etwas zu tun, und die Pest …«
    »Vater, das geht doch nicht. Wir sind es dem Prütz schuldig.« Marike sprach nicht aus, dass sie das schlechte Gewissen plagte, da der Geselle möglicherweise an ihres Vaters statt hatte sterben müssen.
    »So schuldig, dass wir das Leben für ihn riskieren müssen? So viele Leute sind bereits krank!’s ist beinahe, als hätte der alte Lynow in der Marienkirche einen Bann gebrochen.«
    Marike erschauerte bei seiner Wortwahl. »Sagt so etwas nicht, Vater. Ich werde gehen. Es ist meine Christenpflicht.«
    »So störrisch wie dein alter Herr, hm?« Der Vater seufzte. »Überbringe mein Beileid, ja?«
    Marike setzte sich auf einen Hocker. »Ja, Vater.« Sie musterte ihn und war froh, dass er sie nicht begleiten wollte. Er sah

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