Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
auf. »Wirst du närrisch, alter Mann?«, fragte sie dann mit klopfendem Herzen. Sie bekreuzigte sich.
    »Hör nicht auf ihn, Marike. Alte Leute reden doch immer vom Tod und von Gott und vom Weltuntergang.« Lyseke zog sie fort.
    Marike horchte auf, als der Klang einer Fiedel und mehrerer Schellen an ihr Ohr drang. Zwischen den Marktständen bot eine Gruppe bunt gekleideter Spielleute aus drei Musikern und zwei Gauklern ihre Künste dar. Die Musikanten drängten sich durch die Menge, während sie ein munteres Liedchen spielten. Akrobaten jonglierten mit Holzkeulen, führten gemeinsam Kunststücke vor oder schnitten einfach nur Grimassen ins Publikum.
    »Lyseke, schau nur!«, rief Marike, denn die Musikanten waren ein merkwürdiges Grüppchen. Eine dralle Frau in liederlicher Kleidung spielte die Fiedel, ein rundlicher Mann schlug die Schellentrommel. Die Frau an der Fiedel, die eben noch auf dem Pranger gespielt hatte, besaß ein herzförmiges Gesicht mit eng stehenden Augen, die ihrem Blick eine seltsame Eindringlichkeit verliehen und vage an einen Raubvogel erinnerten. Sie trug ein abgenutztes blassrotes Kleid, dessen Ausschnitt nach alter Mode weit über die Schultern herabgerutscht war, ob seiner Größe allerdings die halbe Brust der Frau offenbarte. Die riesigen Beutelärmel besaßen auf halber Höhe Griffschlitze, aus denen die vom zerfledderten gelben Untergewand bedeckten Arme herausragten, die das Instrument führten. Der rundliche Mann, der die Schellentrommel schlug, wirkte eher gelangweilt, verfehlte den Rhythmus aber nie.
    Lyseke schien wenig begeistert von diesem Volk. »Die Fahrenden haben Glück, dass sie vor ein paar Tagen gekommen sind. Vielleicht hätte man sie schon morgen nicht mehr durch die Stadttore gelassen. Man sagt ja, Fremde würden die Pest einschleppen.«
    »Sei nicht so abergläubisch«, tadelte Marike sie. »Mein Vater meint, es mache keinen Unterschied, ob Fremde oder Bürger durch die Tore kämen, also könnte man sie auch gleich offen lassen.«
    »Ach, Marike. Du weißt doch, was man sagt. Diese Leute sind zu nichts nutze, außer gute Bürger mit übler Nachrede zu verfolgen. Wer ihnen Geld für ihre böse Kunst schenkt, der gibt dem Teufel, sagt man.« Lyseke schüttelte den Kopf. »Schon der Apostel Paulus hat vor ihnen gewarnt!«
    »In jedem Fall sind es seltsame Menschen«, murmelte Marike. Sie hatte schon viele Spielleute gesehen und sich gefragt, wie ein Leben auf der Straße wohl aussehen würde und ob sie wirklich so sittenlos waren, wie alle behaupteten.
    Lyseke seufzte. »Gewöhne dich nicht an sie. Sie werden nirgendwo lange geduldet. Daher ziehen sie von Stadt zu Stadt.«
    Ungebunden durch die Lande ziehen zu können, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, ferne Städte zu sehen, die voll fremdartiger Menschen mit merkwürdigen Sitten waren … »Das klingt eigentlich gar nicht so schlecht«, meinte Marike leise. »Brügge, Paris, Florenz …«
    »Rechtlos, ohne Heim und ohne Schutz; Schurken und Raubrittern ausgeliefert …« Lyseke schüttelte verständnislos ihr schönes goldfarbenes Haar. »Hör auf zu träumen.«
    Natürlich hatte die Freundin recht. Vor dem Herrn und der Gemeinde eine Ausgestoßene zu sein brachte keine Vorteile mit sich. Niemals zu wissen, wohin man sein Haupt betten sollte oder woher man etwas zu essen bekam …
    Das Grüppchen Spielleute setzte sich wieder in Bewegung, und die Fiedlerin kam nahe bei Marike vorbei und reckte ihr die Hüfte mit dem Beutel entgegen. Die Kaufmannstochter durfte eigentlich keine Almosen an Fahrende verteilen – der Vater hatte es wegen seiner schlechten Meinung von diesen Leuten verboten. Doch die Fiedlerin zwinkerte ihr zu, und so machte Marike eine Ausnahme. Sie gab Alheyd ein Zeichen, der Frau eine kleine Münze zu geben, während die Menge sie alle hin- und herschob wie Treibholz in der Brandung. Alheyd steckte der Frau verächtlich einen Scherf zu – ein Hohlpfennig, ungefähr halb so viel wert wie ein echter. Als die Münze mit einem blechernen Geräusch in den Beutel fiel, zog die Frau die Augenbraue hoch. »Na, danke!« Sie verneigte sich spöttisch und fiedelte Marike mit dem Bogen beinahe ins Gesicht. Die Kaufmannstochter wich zurück, doch sie setzte ihr mit einer Drehung nach.
    »He, lass das!«, forderte Marike sie auf. »Du hast dein Almosen bekommen. Mehr kann ich nicht geben.«
    Die Fahrende funkelte Marike herausfordernd an, spielte dabei aber weiter. »Du meinst, du willst mir nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher